Bundestagspräsident Norbert Lammert hat ein zu geringes gesellschaftliches Engagement von Christen beklagt. Es gebe eine „fröhliche Gleichgültigkeit“, die ihn nervös und wütend mache, sagte er beim Katholikentag in Mannheim. Gott habe den Menschen die Erde zur Gestaltung übergeben.
Ähnlich äusserte sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Sie forderte die Christen auf, alte und bekannte Gewohnheiten in der katholischen Kirche hinter sich zu lassen. Das Motto des 98. Deutschen Katholikentags „Einen neuen Aufbruch wagen“ könne nur auf diese Weise in die Tat umgesetzt werden. Anstatt sich nur mit sich selbst zu beschäftigen, sollten sich Christen um Hilfsbedürftige kümmern und Verzweifelten helfen sowie jenen, denen Gott abhandengekommen sei.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sieht keinen Anlass zu einer „Angst vor dem Untergang des Abendlandes“. Das christliche Wertefundament sei nicht in Gefahr, sondern „weltweit gefragt“, sagte Friedrich in Mannheim. Zur Begründung nannte er den Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten etwa bei den Revolutionen in der arabischen Welt. „Die Werte des Abendlandes haben Hochkonjunktur.“ Sie seien „wichtiger Kitt für den Zusammenhalt einer Gesellschaft“.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Vorschlag eines „Erlassjahres“ zur Überwindung der Finanzkrise nachdrücklich zurückgewiesen. „Ein Erlassjahr bedeutet Geldentwertung und Währungsreform“, betonte Schäuble auf einem Podium zum Thema „Wir sind der Schuldenstaat“ beim Katholikentag. Die Ersparnisse der Bürger müssten sicher bleiben. Zuvor hatte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, dafür plädiert, „die Grundidee des biblischen Erlassjahres auf die heutige Gesellschaft zu übertragen“. Die Finanzkrise sei nicht nur eine Folge der Staatsverschuldung, sondern auch der vielen Privathaushalte, die ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen könnten, so seine Begründung. Sie müssten eine Chance zum Neuanfang erhalten. „Alles andere ist unbarmherzig und führt ins Verderben“, sagte der Grünenpolitiker.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wünscht sich mehr Streit in der katholischen Kirche. „Streit und Kritik sind kein Ausdruck von Illoyalität, sondern ein Ausdruck von Besorgnis“, sagte er in Mannheim. Es müsse hinterfragt werden, welche religiösen Regeln unveränderlich seien und welche nicht. „Das Christentum ist eine Gesinnungsreligion“. Es sei keine Religion bloßer sakraler Vorschriften.