Zur Gleichstellung der Frau innerhalb der Siebenten-Tags-Adventisten gebe es immer wieder Fragen, betonten die Präsidenten des Süd- und Norddeutschen Verbandes der Freikirche, die Pastoren Günther Machel (Ostfildern bei Stuttgart) und Johannes Naether (Hannover), in einem Leitartikel in der August-Ausgabe der Zeitschrift „Adventisten heute“. Deshalb sei während der Delegiertenversammlung des Norddeutschen Verbandes im April 2012 ein Diskussionspapier vorgelegt und nach einer Aussprache mit 160 Ja- und 47 Nein-Stimmen beschlossen worden, die Ordination von Frauen zum Pastorenamt im Gebiet des Norddeutschen Verbandes zuzulassen. Der Süddeutsche Verband habe sich bei seiner Delegiertenversammlung im Mai 2012 dieser Entscheidung nicht angeschlossen (101 Ja- und 128 Nein-Stimmen).
„Das bedeutet allerdings nicht, dass inhaltlich unterschiedliche Standpunkte vertreten werden“, hoben beide Freikirchenleiter hervor. Die deutschen Verbände begrüssten es, dass bei der nächsten Vollversammlung der adventistischen Generalkonferenz (Weltsynode) im Jahr 2015 in San Antonio, Texas/USA, eine Klärung der Ordinationsfrage kommen solle. „Wir sind für die Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen im Pastorenamt. Im Vorgehen haben wir unterschiedlich entschieden, in der Sache wollen wir uns bei der Vollversammlung 2015 gemeinsam einbringen und hoffen, dass eine zufriedenstellende Lösung für alle Länder gefunden wird.“
Machel und Naether wiesen darauf hin, dass sich die Delegierten der Adventisten aus aller Welt während der Generalkonferenz-Vollversammlung 1990 in Indianapolis, Indiana/USA, zwei Tage Zeit für dieses Thema genommen hätten. Deutlich sei dabei geworden, dass theologische, kulturelle oder soziologische Vorüberlegungen des jeweiligen Redners die Stellungnahmen mitbestimmten. „Es ging also nicht nur um biblische Argumente, sondern auch um Kultur und Zeitgeschichte. Eine zufriedenstellende Klärung für alle beteiligten Länder kam damals nicht zustande.“
1995 habe die Weltsynode in Utrecht/Niederlande folgende Erklärung verabschiedet: „Wir sind auch der Meinung, dass Frauen in den Führungs- und Entscheidungsgremien von Kirche und Gesellschaft eine grössere Rolle spielen sollten. Schliesslich glauben wir, dass die Kirche ihre Mission nur erfüllen kann, wenn es Frauen ermöglicht wird, ihr volles Potential zu nutzen.“
2010 habe die adventistische Andrews-Universität in Berrien Springs, Michigan/USA, während der Weltsynode in Atlanta, Georgia/USA, einen Forschungsauftrag zum Begriff „Ordination“ erhalten. Es gehe darum, bis zur Vollversammlung 2015 in San Antonio zu klären, wie die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in einer sich verändernden Welt mit Ordinationen verfahren sollte. Dabei müsse die Frage beantwortet werden, ob die bisherige Praxis, nur Männer zum Pastorenamt zu ordinieren, von der Bibel in vollem Umfang gedeckt werde.
Auffallend sei ja, so die beiden Verbandspräsidenten, dass sich damals unter den Nachfolgern Jesu viele Frauen befunden hätten, und Christus habe ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. „Auch bei den ersten Christen waren Frauen ein unverzichtbarer Teil der Gemeinden. So kann man schlussfolgern, dass die patriarchalische Struktur des Judentums von den ersten Christen nicht übernommen wurde.“
Dennoch blieben Fragen. „In unserer heutigen Welt sind die Menschen durch die modernen Medien zwar enger zusammengerückt, dennoch sind enorme Unterschiede in den verschiedenen Erdteilen und Ländern nicht zu übersehen.“ Das Leben in Aserbaidschan und Indien gestalte sich anders als in Österreich oder Schweden. Die gesellschaftliche Rolle der Frau sei in vielen Ländern Afrikas anders als in Nordamerika oder Europa.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland formuliere in Artikel 3 sehr deutlich, dass Männer und Frauen gleichberechtigt seien: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes ... benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Nur den Kirchen habe der Staat eine Abweichung von diesem Grundsatz zugestanden. Laut Machel und Naether werde es allerdings besonders in den westlichen Ländern als befremdlich und diskriminierend empfunden, wenn die Kirchen eine berufliche Gleichstellung der Frau im Pastorenamt verneinten. „Auch in unseren Gemeinden werden dazu immer wieder Fragen gestellt.“
Frauen können nach ihrem Theologiestudium in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten zwar als Pastorin „gesegnet" werden und damit fast alle Amtshandlungen, wie Taufe, Abendmahl, Trauung und Beerdigung, vornehmen; doch ordiniert werden nur männliche Geistliche. Nur sie dürfen in kirchenleitende Ämter, etwa als Präsident einer „Vereinigung“ oder eines „Verbandes“ (regionale beziehungsweise überregionale Kirchenleitung), berufen werden, da hierfür die Ordination notwendig ist.
Während die Ordination von Pastoren weltweit innerhalb der Freikirche Gültigkeit hat, dürfen Frauen als Pastorinnen nur in den Gebieten wirken, die zu einer Kirchenleitung gehören, welche die Segnung praktiziert. Zwar gibt es einen Beschluss der Generalkonferenz-Vollversammlung von 1881 in Battle Creek, Michigan/USA, Frauen als Pastorinnen zu ordinieren, doch der Beschluss wurde damals nicht in die Praxis umgesetzt und bald wieder vergessen. Die Weltsynoden der Adventisten 1990 in Indianapolis/USA und 1995 in Utrecht/Niederlande hatten dagegen die Ordination von weiblichen Geistlichen mehrheitlich abgelehnt. Die Zulassung von Frauen als ordinierte Pastorinnen ist ausserhalb von Nordamerika, Westeuropa, China und Australien/Ozeanien, wo nur etwa 13 Prozent der weltweit über 17 Millionen erwachsen getauften Adventisten leben, umstritten.