Der in Altena/Westfalen tagende Ausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland hat sich am 4. Dezember 2012 „vom öffentlichen Auftreten“ des südafrikanischen Adventisten Dr. Walter Veith in Deutschland distanziert. Er untersagte ihm, „im Namen der Freikirche in Deutschland zu sprechen“. Es sei ihm auch nicht mehr gestattet, Vorträge in Versammlungsräumen der Freikirche zu halten. Der Beschluss wurde mit 45 Ja-, vier Nein-Stimmen und einer Enthaltung gefasst.
Begründet wurde der Beschluss, wie folgt: „Seit W. Veith in Deutschland auftritt, hat er wiederholt umstrittene Thesen und Äusserungen in Gemeinden sowie bei öffentlichen Vorträgen verbreitet, welche die Gemeinden polarisieren und Konflikte schüren. Auch in der Aussenwirkung hinterlässt W. Veith durch seine Vorträge vielfach kontroverse Meinungsbilder, die immer wieder zu extremen Positionen geführt haben. Dadurch sind Spannungen und Unfrieden in Gemeinden, Familien und gemeindlichem Umfeld entstanden.“
Erneute Stellungnahme der Freikirche zu jeder Form des Antisemitismus
Am 20. Oktober 2012 hielt Walter Veith in Nürnberg den Vortrag „König des Nordens, Teil 2", der auch im Internet übertragen wurde. Darin vertrat er unter anderem die These, dass Freimaurer und Jesuiten die NS-Zeit genutzt hätten, um die Juden endlich nach Palästina zu bringen, damit die Christenheit von den eigentlichen biblischen Aussagen abgelenkt und in die Irre geleitet werde. Wegen dieser und weiterer Behauptungen gaben am 7. November 2012 die Vorstände der Kirchenleitungen der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland (Nord- und Süddeutscher Verband), in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz erneut eine Stellungnahme zu jeder Form des Antisemitismus heraus, die in der Dezemberausgabe der Gemeindezeitschrift „Adventisten heute“ abgedruckt wurde. Darin heisst es, „dass wir als Siebenten-Tags-Adventisten jeden Antisemitismus entschieden ablehnen und antisemitische Äusserungen in unseren Gemeinden nicht dulden“. Damit bestätigten die Freikirchenleiter eine bereits im Mai 2005 abgegebene Erklärung zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs.
Aufgrund der Stellungnahme vom 7. November versicherte Walter Veith, „dass ich beim besten Willen kein Antisemit bin. Jede Form von Rassismus ist mir ein Gräuel, und als jemand, der in Südafrika aufgewachsen ist, habe ich die Problematik aus erster Hand miterlebt und mich mein Leben lang leidenschaftlich gegen rassistische Ungerechtigkeit eingesetzt. Wie die Juden zudem in Deutschland und übrigens auch von vielen anderen Nationen behandelt wurden, kann man nur als teuflisch beschreiben. Da einige meine Ausführungen ganz offensichtlich als abwertend gegenüber den Juden missgedeutet haben, möchte ich betonen, dass dies nicht meine Absicht war, und ich bitte aufrichtig um Entschuldigung, wenn es so angekommen ist.“
Die Freikirchenleitung in Deutschland begrüsste in einer Entgegnung die Klarstellung, wies aber darauf hin, „dass wir nicht behauptet haben, Walter Veith sei ein Antisemit oder Rassist. In unserer Stellungnahme wird zum Ausdruck gebracht, dass Aussagen von ihm in seinem Vortrag ‚Der König des Nordens, Teil 2' als antisemitisch und diskriminierend verstanden werden können. Das deckt sich mit diesbezüglichen Zuschriften, die wir erhielten.“
Gleichzeitig wies die Freikirchenleitung die These von Veith zurück, dass Freimaurer und Jesuiten die NS-Zeit genutzt hätten, um die Juden zur Täuschung der Christenheit nach Palästina zu bringen. Was hier behauptet werde, „ist nicht belegbar und daher als Verschwörungstheorie einzuordnen, und gleichzeitig eine Missachtung der jüdischen NS-Opfer. Wir sehen als Freikirche in derartigen waghalsigen Konstruktionen und Spekulationen nicht unseren Verkündigungsauftrag.“ Das führe, wie es sich jetzt gezeigt habe, nur zu unnötigen Missverständnissen und reihe Walter Veith, ohne dass er es beabsichtige, in die Argumentationsweise bekennender Antisemiten und Rechtsradikaler ein.
Freikirchenausschuss teilt Bedenken der Freikirchenleitung
Der Ausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland teilte in seinem Beschluss vom 4. Dezember die Bedenken der Freikirchenleitung: „Zum wiederholten Male wurden von W. Veith Verschwörungstheorien verkündigt, obwohl er nach eigener Aussage das Thema ‚Freimaurerei‘ nicht mehr aufgreifen und einen Schlussstrich darunter ziehen wollte.“ Mit seinen Äusserungen über die Juden, die innerhalb einer adventistischen Gemeinde (Adventgemeinde) und nicht im privaten Bereich stattgefunden hätten, sei W. Veith in Grenzbereiche vorgestossen, die strafrechtlich relevante Ermittlungen nach sich ziehen könnten. In diesem Zusammenhang verkündige W. Veith zum wiederholten Male Verschwörungstheorien, die in hohem Masse spekulativ seien, einer sachlichen Prüfung nicht standhielten und höchst umstritten wären. „Die Art und Weise, wie W. Veith über Religionen, Volksgruppen und andere Bekenntnisse spricht, stellt sich als unethisch und polemisch dar“, so der Freikirchenausschuss.
Obwohl in den Vorträgen von Walter Veith durchaus Aussagen enthalten seien, denen zugestimmt werden könne, vermisse der Ausschuss „das befreiende Evangelium durch Jesus Christus“ und erlebe „häufig eine beklemmende und angstmachende Weltsicht, die seine Verkündigung prägt. Dies stellt nach unserer Auffassung geistlichen Missbrauch dar und steht im Gegensatz zu dem Verkündigungsauftrag, wie wir ihn als Freikirche verstehen.“ Der Beschluss vom 4. Dezember soll in der Ausgabe Januar 2013 der Gemeindezeitschrift „Adventisten heute“ veröffentlicht werden.
Schon 2004 kam es zum Konflikt
Walter Veith, 1949 geboren, promovierte 1979 an der Universität Kapstadt in Zoologie. An südafrikanischen Universitäten hielt er eine Zeitlang als Professor Vorlesungen in Zoologie und Physiologie. 1987 schloss er sich in Südafrika der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten an. Veith, der auch deutsch spricht, entwickelte Vortragsreihen über Kreationismus (Schöpfungsglaube), Ernährung und biblische Endzeitprophetie, die er auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz hält. Dabei arbeitet er eng mit dem privaten, von der Freikirche unabhängigen Verein „Amazing Discoveries" zusammen, der Mitschnitte seiner Vorträge zum Kauf anbietet.
Bereits 2004 kam es zum Konflikt zwischen der deutschen Freikirchenleitung und Walter Veith. Damals hielt er den öffentlichen Vortrag „Krieg der Bibeln“. Darin behauptete er, dass auch in Deutschland die meisten Bibelübersetzungen verfälscht und daher nicht mehr vertrauenswürdig seien. In Gutachten widersprachen das Biblische Forschungsinstitut (Biblical Research Institute) der adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), die Theologische Hochschule Friedensau bei Magdeburg und das Theologische Seminar Schloss Bogenhofen in Österreich den Thesen von Veith, der jedoch bei seiner Auffassung blieb. Daraufhin beschloss der Ausschuss der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland in seiner Sitzung vom 25. und 26. April 2004, keine Vorträge von Veith mehr in Versammlungsräumen der Freikirche zu gestatten.
Nachdem Walter Veith aber versicherte, den Vortrag „Krieg der Bibeln“ nicht mehr zu halten und in Vorträgen auch das Thema „Freimaurerei“ nicht weiter zu behandeln, setzte der Freikirchenausschuss am 7. Dezember 2010 seinen Beschluss von 2004 aus. Während einer „Testphase" von zwei Jahren sollte Veith wieder Vorträge in adventistischen Gemeinderäumlichkeiten halten können. Der erneute Beschluss vom 4. Dezember 2012 beendet diese Möglichkeit.