Mit der Wahl des argentinischen Kardinals Jorge Maria Bergolio zum neuen Papst Franziskus nach nur fünf Wahlgängen ist den Kardinälen eine große Überraschung gelungen: zum ersten Mal ein Lateinamerikaner, zum ersten Mal seit Gregor XVI. (1831-1846) ein Ordensmann und dazu noch zum ersten Mal ein Jesuit, zum ersten Mal ein Papst mit Namen Franziskus. Nach offizieller römisch-katholischer Zählweise ist er damit der 266. Bischof von Rom.
Die Wahl sorgte nicht nur wegen der Herkunft des neuen Papstes für Überraschung, sondern auch durch die Wahl des als gemäßigt konservativ beschriebenen Bergolio selbst. Der Jesuit zählte nicht zu den Favoriten, die ins Konklave für die Wahl eines Nachfolgers des zurückgetretenen Benedikt XVI. gezogen waren. Auch wenn Bergolio dem Vernehmen nach bereits 2005 ernster Mitbewerber Joseph Ratzingers als Kandidat des eher reformbereiten Lagers (so auch Karl Kardinal Lehmann in den „Tagesthemen“ der ARD vom 13. März 2013) um den Stuhl Petri gewesen sein soll und er auch im sogenannten Vorkonklave „bella figura“ gemacht habe, so wurde er in der Öffentlichkeit kaum gehandelt.
Mit der Wahl eines argentinischen Kardinals zum Papst haben die Kardinäle nicht nur geographisch einen Sprung über den Ozean gewagt, sondern bildet damit auch die realen Mehrheitsverhältnisse des globalen Katholizismus ab. Über 40 Prozent der Katholiken weltweit leben in Lateinamerika. Die Wahl Bergoglios zum neuen Papst ist als Signal der Veränderung zu bewerten Aber das heißt nicht unbedingt eine Veränderung in Richtung europäischer Reformerwartungen, sondern als ein Signal in Richtung einer Kirche der Armen. Nicht zuletzt die Wahl des Papstnamens kann als ein Signal dafür gedeutet werden, dass sich die katholische Kirche unter diesem Papst deutlich auf Seiten der Armen positionieren wird. In seiner Heimat Argentinien galt der am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires als Sohn italienischer Einwanderer geborene Bergolio als „Kardinal der Armen“, er ist für seinen bescheidenen Lebensstil bekannt. Er prangerte Armut und Ausbeutung an und kritisierte mit deutlichen Worten kapitalistische Auswüchse. Auch gegenüber seiner argentinischen Regierung hielt er sich mit Kritik über Korruption und Ungerechtigkeit nicht zurück. Die Globalisierung, die Kluft zwischen Arm und Reich ist sein Thema, aber er gehört nicht ins befreiungstheologische Lager. Deshalb wird es interessant sein, wie und in welcher Form er dieses Thema zukünftig als Papst aufgreifen und in welche Richtung er es weiterentwickeln wird.
In der Sexualethik vertrat Jorge Bergoglio bisher deutlich die bekannten römisch-katholischen Positionen, konnte aber auch harte Worte für Zustände in seiner eigenen Kirche finden; so nannte er 2012 Priester, die die Taufe unehelicher Kinder verweigerten, „heuchlerische Anhänger eines Neoklerikalismus". Allerdings gibt es in der Biografie des neuen Papstes aus seiner Zeit in Argentinien auch noch einige offenbar ungeklärte Details. Er soll während seiner Zeit als Provinzial der argentinischen Jesuitenprovinz eine zu große Nähe zu Junta-Mitgliedern gepflegt haben.
Wie der neue Pontifex sich zu ökumenischen Fragen verhalten und sich zu den reformatorischen Kirchen positionieren wird, bleibt abzuwarten. Bisher wurde zu diesem Thema in Europa wenig von ihm wahrgenommen. Die sich wie in ganz Lateinamerika und somit auch in Argentinien rasant ausbreitenden pentekostalen und evangelikalen Gruppierungen sind für die römisch-katholische Kirche wie auch für die traditionellen reformatorischen Kirchen dieser Region eine große Herausforderung. Die Wahl seines Papstnamens nach dem auch in evangelischen Kreisen geschätzten Franz von Assisi ist jedoch bemerkenswert und könnte eine Brücke zum Gespräch sein.
Die Erwartungshaltung gegenüber Papst Franziskus ist hoch. Der Lateinamerikaner soll der römisch-katholischen Kirche mit Reformen wieder Auftrieb geben und die Skandale im Vatikan aufarbeiten. Ob die Erwartungen einer Modernisierung der Kirche erfüllt werden, wird man abwarten müssen. Auch das Verhältnis der römischen Zentrale zu den einzelnen Ortskirchen wurde von vielen Kardinälen im sogenannten Vorkonklave als zu zentralistisch beschrieben und man hofft auf größere Freiheit für die Ortskirchen. Viel wird abhängen von der Auswahl des Führungspersonals durch den neuen Papst. Als erster Jesuitenpapst hat er aber eines der stärksten Netzwerke der katholischen Kirche hinter sich und ist damit ein Papst, der auf eine Infrastruktur zurückgreifen kann wie kein Papst vor ihm. Das ist neu gegenüber seinen Vorgängern.
Sein schon fortgeschrittenes Alter von 76 Jahren kann eine Einschränkung bedeuten, zumal sein direkter Vorgänger Benedikt XVI. seinen Rücktritt gerade mit dem Nachlassen der Kräfte begründete. Dass das Alter Hoffnungen nicht enttäuschen muss, zeigt in jüngerer Vergangenheit Papst Johannes XXIII., der im gleichen Alter gewählt wurde wie Franziskus jetzt und in seiner kurzen Amtszeit seine Kirche nachhaltig geprägt hat. Man darf auf die ersten Schritte des argentinischen Papstes in den Schuhen des Fischers gespannt sein. Erst kürzlich wurde er mit einem deutlichen Bild zitiert: „Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren. Aber wenn sich die Kirche nicht öffnet, nicht rausgeht, und sich nur um sich selbst schert, wird sie alt. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Kirche, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer Kirche, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen."
Martin Bräuer D.D.
Hinweis der Redaktion: Pfarrer Martin Bräuer D.D. ist der Catholica-Referent am Konfessionskundlichen Institut, Bensheim/Deutschland