Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat das in Genf vorgestellte Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft – Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“ begrüsst, das der Lutherische Weltbund (LWB) und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen erarbeitet haben.
Bereits die Überschrift, so der Ratsvorsitzende, benenne die entscheidende Perspektive. „Der Titel ,Vom Konflikt zur Gemeinschaft‘ deutet den langen Weg der Klärungen an, den die lutherischen Kirchen mit der römisch-katholischen Kirche zurückgelegt haben“, so Schneider. „ Wenn wir uns an die Geschichte der bisherigen Reformationsjubiläen und ihre oftmals antikatholisch-polemisch ausgerichteten Gestaltungen erinnern, dann wird deutlich, dass heute grosse Fortschritte in der Ökumene erreicht worden sind.“
Den ökumenischen Diskurs über die Theologie Martin Luthers auf vier zentrale Bereiche zu konzentrieren, so der Ratsvorsitzende, führe in dem Dokument zu einer treffenden Beschreibung der gegenwärtigen ökumenischen Gesprächslage. „Rechtfertigung, Eucharistie, Amts- und Schriftverständnis sind ,kontroverstheologische Klassiker‘. Der jetzt veröffentlichte Text resümiert den gegenwärtigen Stand dieses Dialogs und zeigt den erreichten Fortschritt, aber auch die bleibenden theologischen Differenzen.“
Kritisch siehe Präses Schneider hingegen, dass der lutherisch-katholische Text durchgängig die Frage nach der sichtbaren Einheit der Kirche in den Mittelpunkt rücke. Schneider: „Die von den reformatorischen Kirchen in Europa erarbeitete Einsicht von der ,versöhnten Verschiedenheit‘ kommt im Text nicht vor. Auch die Perspektive, dass die Einheit aller Kirchen in Christus auch in der Vielfalt der geschichtlichen Konkretion von Kirche gelebt werden könne, fehlt. Der Blick auf die ökumenische Bilanz des 20. Jahrhunderts, den der Text selbst eröffnen will, bleibt so unberücksichtigt.“
Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), begrüsste in einer ersten Stellungnahme zu dem Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“, dass die Geschichte der lutherischen Reformation erstmalig gemeinsam von Lutheranern und Katholiken beschrieben werde. Die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Beziehungen erlaubten es, das Vergangene nicht ausschliesslich von den Abgrenzungen her zu erzählen und zu beurteilen, sondern sich auch der Perspektive des Anderen zu öffnen. Anhand der Themen von Rechtfertigung, Abendmahl, Amt sowie Schrift und Tradition werde dargestellt, was heute bereits gemeinsam zu den zentralen theologischen Anliegen Luthers gesagt werden könne „und welcher differenzierte Konsens auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft erreicht werden konnte“.
Der gemeinsame Blick auf die Reformationsgeschichte mache, so Weber, für die Autoren der Studie – erstmals seit der Reformation – auch ein gemeinsames Gedenken möglich. Das Dokument verwende dabei durchweg den Begriff „Gedenken“, um deutlich zu machen, dass sich die römisch-katholische Seite schwer tue, die Reformation, die eben auch zur Spaltung der westlichen Christenheit führte, zu feiern. Zugleich erkenne die katholische Seite aber an, dass lutherische Christinnen und Christen 2017 nicht diese Kirchenspaltung feierten, sondern sich für alles von Herzen dankbar zeigten, was Luther und die anderen Reformatoren ihnen eröffnet hätten und dass sie die Gaben der Reformation auch mit andern teilen wollten.
Im historisch orientierten Teil der Studie werde laut dem Catholica-Beauftragten deutlich gemacht, dass die Reformationszeit immer auch eine Zeit der verpassten Chancen gewesen sei und es nie zu einem wirklichen Dialog über die kontroversen Fragen hätte kommen können. Dankbar nähmen die lutherischen Kirchen zur Kenntnis, dass dies heute fundamental anders sei. Die lutherisch/römisch-katholischen Beziehungen wären vertrauensvoll und intensiv. Echter Dialog und Annäherung seien möglich geworden. Daher habe die Kommission einen sehr treffenden und eindrücklichen Titel für ihr Dokument gewählt: „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“.
Der Vorsitzende der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, sieht in dem Dokument der Internationalen Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit Impulse, „die uns auch in Deutschland in der Ökumene weiterbringen können“. Der ökumenische Dialog habe gezeigt: „Uns verbindet mehr, als uns trennt.“ Gleichzeitig stehe die volle Gemeinschaft in der sichtbaren Kirche als Ziel unseres ökumenischen Bemühens noch aus. „Auf dieses Ziel hin wollen wir weiter arbeiten.“