Sowohl der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., als auch der Patriarch von Moskau, Kyrill I., haben in letzter Zeit die Abhaltung des Panorthodoxen Konzils im Jahr 2016 bekräftigt. Bartholomaios I. erklärte bei einer Pressekonferenz in Brüssel, das Konzil werde zu Pfingsten 2016 stattfinden. Als Tagungsort ist die historische Irenenkirche in Konstantinopel (Istanbul) vorgesehen. Es wäre nach orthodoxer Zählung das 8. Ökumenische Konzil.
Der Ökumenische Patriarch hatte sich vom 29. Januar bis 1. Februar in Belgien aufgehalten, wo er an der Katholischen Universität in Löwen das Hauptreferat bei einem internationalen Kongress über das christliche Konzept der Vollendung des Menschen („theosis“) hielt. Weitere Referenten waren u.a. der frühere anglikanische Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, und der römisch-katholische Bischof von Antwerpen, Johan Bonny, ein früherer leitender Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Bartholomaios I. traf in Brüssel auch mit dem belgischen König, Philippe I., dem Aussenminister von Belgien, Didier Reynders, sowie den katholischen Bischöfen des Landes zusammen.
Der russische Patriarch Kyrill I. referierte seinerseits am 2. Februar vor der russisch-orthodoxen Bischofskonferenz in Moskau über das bevorstehende Panorthodoxe Konzil. Er erinnerte daran, dass bei der panorthodoxen Synaxis (eine Versammlung zu liturgischen Zwecken) in Istanbul im März des Vorjahrs die Position des Moskauer Patriarchats zu prinzipiellen Fragen des Konzils von vielen anderen autokephalen orthodoxen Kirchen geteilt worden sei. Im Schlussdokument sei daher auch das von Moskau vertretene Konsens-Prinzip bei der Entscheidungsfindung sowohl beim Konzil selbst als auch in der Vorbereitungsphase festgeschrieben worden. Das Bischofskonzil des Moskauer Patriarchats, welches zum Unterschied von der Bischofskonferenz entscheidungsbefugt ist, hatte sich 2013 ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass beim Panorthodoxen Konzil nur Entscheidungen im Konsens aller autokephalen Kirchen getroffen werden sollen, keine Mehrheitsentscheidungen.
Vor den russisch-orthodoxen Bischöfen bedauerte Patriarch Kyrill, dass die eigens eingerichtete interorthodoxe Zentralkommission zur Vorbereitung des Panorthodoxen Konzils bisher nur einmal zusammengetroffen sein. Diese Sitzung fand vom 30. September bis 3. Oktober 2014 in Chambesy bei Genf/Schweiz statt. Eine weitere Sitzung solle noch in diesem Februar stattfinden. In diesem Zusammenhang äusserte der Moskauer Patriarch seine Sorge darüber, dass vom Ökumenischen Patriarchat keine Einladung an die orthodoxe Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei zur Teilnahme ergangen sei. Die Wahlvorgänge in der orthodoxen Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei werden von Konstantinopel derzeit nicht akzeptiert, auf Grund der Beschlüsse vom März des Vorjahrs ist aber die Beteiligung und Zustimmung aller autokephalen orthodoxen Kirchen bei der Vorbereitung des Panorthodoxen Konzils zwingend vorgeschrieben. „Wenn man bedenkt, dass das bevorstehende Panorthodoxe Konzil der Welt die Einheit der Orthodoxie vor Augen führen soll, muss dieses Problem so bald wie möglich gelöst werden“, so Kyrill I.
Als thematische Schwerpunkte des Panorthodoxen Konzils werden u.a. die Frage der Autokephalie (Selbständigkeit) der Kirchen in neu entstandenen Staaten (wie Mazedonien oder der Ukraine, aber etwa auch Abchasien), der Organisation der mittlerweile weltweiten orthodoxen Diaspora, die Beziehungen mit den anderen christlichen Kirchen, die ethischen und sozialen Fragen der Gegenwart, die Reform des liturgischen Kalenders genannt.
Sorge um die Christen im Nahen Osten
Sowohl Bartholomaios I. als auch Kyrill I. brachten im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Panorthodoxen Konzils ihre tiefe Sorge über die Situation der Christen im Nahen Osten zum Ausdruck. Bartholomaios I. berichtete in Brüssel, dass er selbst mit zahllosen christlichen Flüchtlingen zusammengetroffen sei, um sie seines Gebets und seiner Unterstützung zu versichern. In den Gesprächen sei deutlich geworden, wie schwer es heute für Christen sei, in muslimisch dominierten Gesellschaften zu leben. Unter Hinweis auf den Konstantinopel-Besuch von Papst Franziskus aus Anlass des Andreas-Festes unterstrich Bartholomaios I. die Wichtigkeit des Einsatzes aller Christen für Frieden und Versöhnung im Nahen Osten und für einen „konstruktiven Dialog“ mit dem Islam.
Kyrill I. sagte vor den russisch-orthodoxen Bischöfen wörtlich: „Hunderttausende christliche Gläubige sind Geiseln der Situation im Nahen Osten oder wurden dazu gezwungen, die Region zu verlassen. Vor unseren Augen spielt sich eine Tragödie ab, ein Genozid an der christlichen Bevölkerung jener Länder, von denen aus sich die 'Gute Nachricht des Evangeliums' in alle Welt verbreitet hat“. Die Extremisten versuchten, durch Gewaltanwendung und die Tötung von Christen wegen ihres Glaubens die Christenheit physisch auszulöschen. Bedauerlicherweise habe die Weltöffentlichkeit das Ausmass dieses Unglücks bisher nicht erfasst.
Die russisch-orthodoxe Kirche sei sich ihrer Verantwortung für die Christen im Nahen Osten bewusst und versuche, „den leidenden Schwestern und Brüdern in vielfacher Weise zu helfen“, unterstrich der Moskauer Patriarch. Die orientalischen Christen würden heute die russisch-orthodoxe Kirche und die Russische Föderation als Verteidigerinnen ihrer Interessen sehen. Daher sei es Pflicht, alles zu tun, „um die christliche Präsenz im Nahen Osten zu sichern“.
(© 2015 CBS KULTUR INFO. Mit News-Input der Stiftung PRO ORIENTE, Wien.)