Darf man Religionen bewerten? Dieser Frage stellte sich die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) bei ihrem Jahresempfang am 12. Februar in Berlin. Daran nahmen neben Vertretern der beiden grossen Kirchen auch Mitglieder von Freikirchen, Sondergemeinschaften und nichtchristlichen Traditionen teil. Die EZW ist nach ihrem Selbstverständnis die zentrale Beratungsstelle der Evangelischen Kirche für religiöse und weltanschauliche Strömungen der Gegenwart.
„Die weltanschauliche Situation erfordert heute einen Dialog, der alle Menschen einbezieht“, stellte Dr. Reinhard Hempelmann, Leiter der EZW, fest. Lernbereite Kontaktaufnahme sei zwar kein Allheilmittel, aber alternativlos, betonte er. Nach eigenen Angaben wollte die EZW ihren zweiten Jahresempfang (der erste fand 2014 statt) durchaus selbstkritisch gestalten. Dazu waren zur Diskussion neben Prof. Dr. Ulrich Körtner, Vorsitzender des Kuratoriums der EZW, auch Dr. Susanne Matsudo-Kiliani, Beauftragte der Deutschen Buddhistischen Union für den interreligiösen Dialog, und Dr. Ralf Grünke, stellvertretender Pressesprecher der Europa-Zentrale der Mormonen, eingeladen.
Die Frage, ob man Religionen bewerten dürfe, wurde von allen Diskussionsteilnehmern grundsätzlich zustimmend beantwortet. Allerdings mit Einschränkungen: „Wenn man schon über andere urteilt, dann doch mit Vorsicht, wenn nicht mit Wertschätzung“, mahnte Grünke an. Matsudo-Kiliani betonte die Schwierigkeit einer Bewertung des Anderen vom eigenen System aus. Zur religiösen Beurteilung gehöre auf jeden Fall interkulturelle Kompetenz. „Wir kommen nicht umhin, Religion zu bewerten“, stellte auch Körtner fest. „Die Frage ist nur, wie?“. Es gebe in den Religionen selbst Momente der Religionskritik. Die Kritik sei auch eine Bemühung um die Religionslogik einer anderen Religion.
Für angebracht hielt Matsudo-Kiliani Kritik bei unheilsamen Strukturen innerhalb von Religionen. Allerdings solle eine kritische Beurteilung nach Grünke nicht ständig das „Schräge“ und „Sonderbare“ einer anderen Konfession herausstellen. Der „Sektenbegriff“ sei längst problematisiert worden, wandte Körtner ein. „Es gibt eine Lerngeschichte innerhalb der Mehrheitskirchen in unserem Land. Aber sie ist noch nicht am Ende angekommen.“