Am 3. Juni hat die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland (ELKL) mit einer Verfassungsänderung die Frauenordination abgeschafft. Zu diesem Beschluss nahm der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Gerhard Ulrich (Schwerin), Stellung.
Bedauern und Unverständnis
Den Beschluss der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland (ELKL), die Ordination von Frauen in das Pfarramt abzuschaffen, habe Bischof Ulrich in seiner Stellungnahme „mit tiefem Bedauern“ und „mit Unverständnis“ entgegengenommen. Gerade für Lutheraner in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) könne es in geistlicher Hinsicht einen Unterschied zwischen Mann und Frau nicht geben. Alle Christen seien gleich und in gleicher Weise durch die Taufe zu Gliedern der Kirche und zur Priesterschaft berufen. Schon Martin Luther habe in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ betont: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das darf sich rühmen, dass es schon zu Priester, Bischof und Papst geweiht sei.“
Keine theologisch begründete Geringschätzung der Frau durch Paulus
Die Begründung der Verfassungsänderung mit der Aussage des Apostels Paulus, wonach Frauen in der Versammlung der Gemeinde zu schweigen und sich unterzuordnen hätten (1. Korinther 14,34), vernachlässige den Zusammenhang dieses Zitates, so Gerhard Ulrich. Paulus spreche an dieser Stelle eine offizielle Gemeindeversammlung in Korinth an. Es sei ein in der damaligen Zeit verbreiteter Rechtsgrundsatz gewesen, dass Frauen in öffentlichen Versammlungen zu schweigen hätten.
Paulus sei dieser Praxis gefolgt – allerdings nicht aus theologischen Gründen, sondern mit Rücksicht auf die damals gängige kulturelle und rechtliche Ordnung. Heute würde der Apostel auch aus solchen Gründen vermutlich genau für das Gegenteil eintreten. Mit der Beachtung der damaligen Rechtsordnung verbinde Paulus jedoch keine grundsätzliche oder gar theologisch begründete Geringschätzung der Frau. Im Gegenteil: Er selbst bezeuge, dass Frauen in Gebetsversammlungen und in der entstehenden Kirche ganz gleichberechtigt wie die Männer beten und prophetisch reden konnten und sollten. Beweis dafür wären die vielen Frauen, die Paulus in seinen Briefen als Gemeindemitglieder und Mitwirkende erwähne.
Der Apostel habe Frauen als gleichwertige Verkündigerinnen an seiner Seite geschätzt. In seinen Briefen würden in diesem Zusammenhang mindestens zwölf Frauen erwähnt, welche an wichtigen Positionen in Verkündigung und Gemeinde gestanden hätten. Zusammenfassend schreibe Paulus: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“. (Galater 3,27 f.)
Entscheidung der Synode ein Rückschritt
In einem Brief vom 29. Juni 2015 an Erzbischof Jānis Vanags und die Kirchenleitung der ELKL habe der Leitende Bischof der VELKD bereits seiner Sorge über den eingeschlagenen Weg zum Ausdruck gebracht und auf die Belastung hingewiesen, „welche die Verweigerung der Frauenordination für unsere Beziehungen bedeuten würde“. Nicht nur in der Nordkirche in Deutschland, sondern auch im Lutherischen Weltbund (LWB) und in der VELKD gebe es seit Jahrzehnten vielfältige Kontakte und kooperative Bezüge zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland.
Landesbischof Ulrich hält die Entscheidung der Synode „für einen Rückschritt, der die Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland zudem grosser Chancen für das Amt von Wort und Sakrament beraubt“. Täglich mache er die Erfahrung: „Ohne den wertvollen Dienst, den all unsere weiblichen Ordinierten leisten, wäre unsere Kirche nicht nur deutlich ärmer. Es wäre schier unmöglich, die vielen Aufgaben in den Gemeinden und Einrichtungen zu meistern, wenn wir nicht all diese engagierten und kompetenten Pastorinnen hätten.“ Zum anderen sehe er in der Abschaffung der Frauenordination ein fatales Signal an die Kirchengemeinschaft im Lutherischen Weltbund.
Ulrich machte das Angebot, über die Thematik „in ein sachliches, geschwisterliches Gespräch mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland zu kommen“. Er biete dies in dem Wissen an, dass die Frauenordination in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland erst vor 25 Jahren prinzipiell und vollständig eingeführt worden sei.