Am 22. Juni, 75 Jahre nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wird die „Harz-Kaserne“ der Bundeswehr in Blankenburg, Sachsen-Anhalt/Deutschland in „Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne“ umbenannt. Der Soldat wurde am 13. April 1942 von einem Exekutionskommando der Wehrmacht erschossen.
Wie die „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ in Bremen mitteilte, setzte der damalige Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping (SPD), im Zuge der Umbenennung von Kasernen durch, dass eine Bundeswehr-Unterkunft in Rendsburg am 8. Mai 2000 den Namen „Feldwebel-Schmid-Kaserne“ erhielt. Diese wurde jedoch wegen Standortreduzierungen 2010 geschlossen. Seitdem engagierte sich die Bundesvereinigung dafür, dass eine andere noch genutzte Bundeswehreinrichtung den Namen des 1942 hingerichteten Feldwebels trägt.
Ein Judenretter in Uniform
Laut dem Historiker und Friedensforscher Wolfram Wette war der aus Wien stammende Feldwebel Anton Schmid der erste „Retter in Uniform“, der in Deutschland bekannt wurde. Sein Name fiel während des Eichmann-Prozesses in Jerusalem im Jahre 1961. Dem staunenden Publikum im Gerichtssaal berichtete der ehemalige Kommandeur jüdischer Partisanen, Abba Kovner, dass es 1941/42 in der litauischen Stadt Wilna „eine der“, wie er sagte, „seltensten und verblüffendsten Episoden dieser Zeit“ gegeben habe. Ein deutscher Feldwebel namens Schmid hätte eine grössere Anzahl von Juden gerettet und sogar mit dem jüdischen Widerstand zusammengearbeitet. Er sei aufgeflogen und hingerichtet worden.
Heute wüssten wir Genaueres, so Wette. Danach war Feldwebel Anton Schmid in Wilna Leiter einer Versprengten-Sammelstelle, an die auch Werkstätten der Wehrmacht angegliedert waren. Er hätte schon vor dem Kriege verfolgten Juden geholfen und sei auch unter den Bedingungen des Vernichtungskrieges ein anständiger Mensch geblieben. Seine kleine, im Windschatten der vorgesetzten Feldkommandantur Wilna arbeitende Dienststelle, habe Schmid verschiedene Handlungsmöglichkeiten eröffnet: Er „arisierte“ zwei seiner jüdischen Schützlinge, um die er sich persönlich kümmern konnte, Max Salinger und Luisa Emaitisaite, mit falschen Papieren. Das Ehepaar Anita und Hermann Adler schützte er dadurch, dass er sie in einem Zimmer seiner Dienstwohnung unterbrachte. Andere, uns namentlich nicht bekannte Jüdinnen und Juden rettete er vor der Liquidierung, indem er sie als angeblich kriegswichtige Arbeitskräfte in den Werkstätten beschäftigte, die seiner kleinen Dienstelle angeschlossen waren und die er dort mit Facharbeiterausweisen ausstattete, die sie vor Verhaftung schützen sollten. Einige von ihnen rettete er ein zweites Mal, indem er sie nach Zugriffen von SS und litauischer Hilfspolizei wieder aus dem Lukischki-Gefängnis herausholte.
Zusammenarbeit mit dem jüdischen Widerstand
Darüber hinaus habe sich Feldwebel Anton Schmid schon zu einem frühen Zeitpunkt entschlossen, möglichst viele jener Juden, die bei ihm beschäftigt waren, in Sicherheit zu bringen, indem er sie aus dem Ghetto Wilna wegbrachte. In Zusammenarbeit mit führenden Personen des jüdischen Widerstandes leistete er mit einem ihm zur Verfügung stehenden Wehrmachts-Lkw etwa 300 verfolgten Juden aus dem Ghetto Fluchthilfe nach Bialystok und in andere Städte, die sicherer zu sein schienen als Wilna. Nach mehrmonatiger Rettungstätigkeit wurde Feldwebel Schmid denunziert, verhaftet, vor ein Feldkriegsgericht gestellt, zum Tode verurteilt und erschossen. Gerettete sagten über ihn: „Für uns war er so etwas wie ein Heiliger.“
Ein „Gerechter unter den Völkern“
Der zum Militärdienst zwangsverpflichtete 42-jährige Installateur aus Wien sei von der NS-Militärjustiz vermutlich wegen Feindbegünstigung oder Kriegsverrat zum Tode verurteilt worden, informierte Günter Knebel, Schriftführer der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Ein schriftliches Urteil gebe es nicht mehr, aber am 13. April 1942 wurde Schmid in Wilna von einem Exekutionskommando der Wehrmacht erschossen. 1967 wurde der „Retter in Uniform“ in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechter unter den Völkern“ durch Pflanzung eines Baumes geehrt.
Der Menschlichkeit verpflichtet
Der in der bisherigen „Harz-Kaserne“ in Blankenburg beheimatete Teil des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sehe sich in besonderer Weise der Menschlichkeit verpflichtet, so Günter Knebel. Laut Leitbild wolle die Einheit sich „mit der Geschichte von deutschen Sanitäts- und Veterinärdiensten auseinandersetzen und aussergewöhnliche Leistungen und den Opfermut ihrer Angehörigen bei der Rettung von Menschen und der Erfüllung ihrer spezifischen Aufgaben anerkennen“. Die Umbenennung dieses Standorts dürfte signalisieren, dass dieses Selbstverständnis dort auch „gelebt“ werde. Angesichts der nach Ansicht der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz oft problematischen und schwierigen Aufgaben, welche die Bundeswehr hierzulande und anderenorts erfülle, „hegen wir die Hoffnung, dass die Verpflichtung zur Menschlichkeit stets den höchsten Stellenwert einnimmt und nicht militärischen Interessen nachgeordnet wird“, unterstrich Knebel. Anton Schmid sei ein „einfacher Soldat“ gewesen, der „unter schwierigsten Bedingungen in einem verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungskrieg mit spontaner Hilfsbereitschaft, Phantasie und widerständigem Geschick seiner humanitären Orientierung treu geblieben ist“.