Ganoune Diop, Verantwortlicher der adventistischen Weltkirchenleitung für Aussenbeziehungen und Religionsfreiheit, hielt an der UNO-Tagung „Religions- oder Weltanschauungsfreiheit und Sexualität: Ein Gespräch“ eines der Hauptreferate. Der Theologe hat dabei zu den unterschiedlichen Sichtweisen menschlicher Sexualität aus biblischer Perspektive Stellung genommen. Die Tagung fand vom 8. – 10. Juni im Palais des Nations in Genf/Schweiz statt, wie Adventist Review AR, amerikanische Kirchenzeitschrift, am 29. Juni mitteilte. Diop hat demnach in einem zweiten Referat auch die Notwendigkeit betont, alle Menschen mit Würde und Respekt zu behandeln.
Ganoune Diop, der auch Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Religionsfreiheit IRLA ist, hat auf Einladung des UN-Sonderberichterstatters für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, im ersten Hauptreferat die Beziehung zwischen Religionsfreiheit, Menschenrechten und Sexualität beleuchtet. Er gab dabei eine wissenschaftliche Übersicht über religiöse Haltungen zur menschlichen Sexualität, vor allem aus der Sicht der christlichen Traditionen und wie die biblischen Lehren und Werte die christliche Antwort bezüglich gleichgeschlechtlicher Beziehungen prägen.
Für Christen gründet menschliche Sexualität in der Schöpfung
Christen würden das Verständnis der menschlichen Sexualität vor allem im Schöpfungskonzept verorten, wo alles als „gut“ oder gar „sehr gut“ bezeichnet worden sei, so Diop. Die Welt sei aber, laut der biblischen Erzählung, nach der Entfremdung von Gott eine ganz andere geworden.
Diop, adventistischer Theologe und Professor biblischer Sprachen sowie vergleichender Religionswissenschaft, zeigte die historische Entwicklung der verschiedenen theologischen und traditionellen Vorstellungen über die menschliche Sexualität in verschiedenen christlichen Gemeinschaften auf sowie den Einfluss von kulturellen Normen, welche die Einstellung über angemessenes Sexualverhalten prägen.
Umstrittene Bibeltexte zur Homosexualität
Der Senegalese Ganoune Diop ging auch auf die sieben biblischen Texte ein, die gemeinhin so verstanden worden seien, dass sie gleichgeschlechtliche Handlungen verbieten würden und erläuterte die unterschiedlichen Auslegungen dieser Texte. Die Mehrheit der Christen - ob Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Evangelikale oder Pfingstler - glaubten, dass diese Texte ein göttliches Verbot gleichgeschlechtlicher Handlungen darstellten. Eine wachsende Anzahl von Christen hingegen stelle diese Interpretation in Frage, so der Theologe. Sie würden alternative Interpretationen dieser Texte vortragen, da aus ihrer Sicht die Bibel die Frage der Homosexualität, wie wir sie heute kennen, nicht behandle.
Homosexualität: Säkulare Gesellschaft und religiöse Organisationen meist uneins
Die Kluft zwischen der säkularen Gesellschaft und religiösen Organisationen verbreitere sich, sagte Diop, wenn es um Fragen der Sexualität gehe. Er verwies auf offizielle Erklärungen grosser christlicher Kirchen, welche die monogame heterosexuelle Ehe befürworteten. Diese stünden aber in krassem Gegensatz zur Haltung der säkularen Zivilgesellschaft sowie einer wachsenden Zahl von Christen, welche die homosexuelle Ehe und Praxis sowie den homosexuellen Lebensstil unterstützten. Die Übereinstimmung bei diesem Thema verflüchtige sich mehr und mehr.
Religiöse Überzeugungen und Werte nicht verrechtlichen
„Die Grundlagen des christlichen Glaubens basieren auf der unverzichtbaren Freiheit jedes Einzelnen, eine Bundesbeziehung mit Gott einzugehen“, sagte Ganoune Diop. Diese Freiheit bedeute, dass Christen vorsichtig sein sollten beim Versuch, ihre religiösen Überzeugungen über Sexualität - und damit ihre religiösen Werte - in der Politik umzusetzen und Gesetze zu erlassen, die andere diskriminieren oder jene verurteilen, die bestimmte religiöse Lehren ablehnten. „Die Entscheidung etwas zu legalisieren oder unter Strafe zu stellen, ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte und des Gesetzgebers“, sagte Diop.
Wahlfreiheit achten – keine Diskriminierung
"Die Wahlfreiheit eines Individuums in Fragen der Sexualität zu anerkennen, impliziert nicht, dass damit entsprechende Entscheidungen gebilligt werden“, so Ganoune Diop. Das Anerkennen der Wahlfreiheit schwäche auch nicht das Recht eines Christen, mit moralischer Klarheit bezüglich des göttlichen Ideals für zwischenmenschliche Beziehungen einzustehen", sagte Diop.
Was bedeutet dies für heutige Christen im Umgang mit Menschen, die andere Auffassungen hinsichtlich der menschlichen Sexualität haben, fragte er. „Es bedeutet, „Nein“ zu Diskriminierung oder jeglicher Form von Gewalt zu sagen. Es meint aufzuzeigen, dass Menschen unterschiedlich glauben und anders sein und dennoch die gleiche Humanität teilen können; es bedeutet, im gemeinsamen öffentlichen Raum mit Respekt für die Würde eines jeden Menschen zu leben; es bedeutet anzuerkennen, dass jeder Person vom Schöpfer das Recht und die Verpflichtung zur Freiheit zugestanden wurden.“
"Keinem Menschen sollte seine Humanität verweigert werden, egal, wie er seine Wahlfreiheit nutzt“, so Diop. „Gott hat den Menschen das Vorrecht gegeben nach den geoffenbarten Massstäben Gottes zu leben oder auch nicht. Gewalt, Hassverbrechen oder durch Selbsthass verursachte Verbrechen, wie kürzlich in Orlando erlebt, sind abstossend und barbarisch.“
Warum nimmt eine Kirche an UNO-Konferenzen teil?
Auf die Frage in einem AR-Interview nach der Konferenz, weshalb die Kirche der Adventisten an UN-Konferenzen teilnehme, stellte Ganoune Diop den immensen Wert einer adventistischen Präsenz „am Tisch“ der internationalen Gemeinschaft sowie der Entscheidungsträger heraus. Einflussreiche Personen würden gesellschaftliche Trends beeinflussen und Werte prägen.
Innerhalb der Länder der Vereinten Nationen bestehe ein breites Spektrum im rechtlichen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Dieses reiche vom Schutz solcher Beziehungen bis zu Verbot, Diskriminierung und Kriminalisierung in anderen Ländern der UNO. Trotz der Komplexität und polarisierenden Tendenz dieser Thematik sollten Adventisten nicht am Rand der öffentlichen Diskussion sitzen, so Diop.
Das Ziel der Kirche mit der Pflege der Aussenbeziehungen sowie dem Einsatz für Religionsfreiheit bestehe darin, die Kirche im öffentlichen Raum als glaubwürdig, relevant und vertrauenswürdig zu positionieren, ohne damit die kirchlichen Werte und Lehren aufs Spiel zu setzen, wie diese in offiziellen Stellungnahmen der Kirche zum Ausdruck gebracht worden seien.
Weitere Referenten an der UN-Konferenz
Weitere Referenten an der UN-Konferenz waren: Heiner Bielefeldt, UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit; Javaid Rehman, Professor für islamische Recht und Völkerrecht an der Brunel University, London; Vitit Muntarbhorn, Vorsitzender der UN-Untersuchungskommission zu Syrien und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Südkorea.
Der vollständige Bericht der UN-Konferenz “Freedom of Religion or Belief and Sexuality: A Conversation” kann auf Englisch nachgelesen werden unter:
http://www.adventistreview.org/church-news/story4137-adventist-leader-discusses-sexuality-at-un-conference