Mit einem nationalen Festgottesdienst feierten am 18. Juni in Bern mehr als 700 Gäste aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft das 500. Jubiläum der Reformation. Mit dabei waren Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Kirchenbundspräsident Gottfried Locher, Kurienkardinal Kurt Koch, die deutsche Reformationsbeauftragte Margot Kässmann, der Erzbischof von Canterbury Justin Welby, Jerry Pillay, Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen sowie Olav Fyske Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen.
"Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“ (Matthäusevangelium), so das Motto des nationalen Festgottesdienstes „500 Jahre Reformation“, zu dem der Schweizerische Evangelische Kirchenbund nach Bern geladen hatte.
Der Synodalratspräsident der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Andreas Zeller begrüsste im Berner Münster die Delegierten der Abgeordnetenversammlung, Synodale und Kirchenleitungen der Mitgliedkirchen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Vertretungen der Hilfs- und Missionswerke und Ausbildungsstätten sowie Gäste aus Südafrika, China, den USA, Frankreich, Österreich, Ungarn, Italien, Deutschland und dem Vereinigten Königreich.
Gottfried Locher: Es gibt materielle und immaterielle Schätze
„500 Jahre Evangelium für alle in Wort und Tat: Das feiern wir heute. Generationen von Christinnen und Christen fanden und finden in der evangelisch-reformierten Kirche Trost, Kraft und Orientierung", so Kirchenbundspräsident Gottfried Locher in der Predigt. "500 Jahre Inspiration und Seelsorge für alle, die vom Leben mehr erwarten als Materielles. 500 Jahre auf den Spuren Jesu Christi, gemeinsam, persönlich, verlässlich, verbindlich."
Das Motto des Tages: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“, könne abgeschwächt gelesen und interpretiert werden. Matthäus, der diese Aussage Jesu überliefert habe, sei aber radikaler gewesen als viele seiner Ausleger und meine es so, wie er es geschrieben habe. Es gäbe materielle und immaterielle Schätze auf dieser Welt, an die man sein Herz hängen könne. Bei den einen sei es glänzend polierter, schneller Stahl, bei anderen könnten es Produkte aus dem Hause Dior oder Vuitton sein und noch anderen gehe es um ihren guten Ruf, Macht, Einfluss und Ansehen.
Jean Calvin habe ein schönes Bild geprägt, sagte Locher: Menschen, die umziehen, würden ihre Güter im Voraus dorthin schicken, wo sie zukünftig wohnen wollten. Es stimme, so Locher, dass dort wo unser Herz sei, auch unser Schatz sei. Dieser Aussage müsse sich sowohl der einzelne Christ als auch die Kirche immer wieder stellen.
Botschaften internationaler ökumenischer Gäste
Jerry Pillay, Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, hielt fest, dass die Reformatoren vor 500 Jahren über den Zustand der alten Kirche besorgt gewesen seien. Heute „verspüren wir einen noch grösseren Bedarf an Erneuerung und Wandel“. Er führte anschliessend jene fünf Bereiche an, welche die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen mutig angehen und erneuern müsse: Dazu gehöre unter anderem die Erneuerung folgender Verpflichtungen: für Gottes Mission, für Gerechtigkeit und Frieden, für theologischen Wandel und das ökumenische Engagement.
Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, sagte, dass es im Christsein um eine zentrale Wahrheit gehe, dass Jesus auferstanden sei. Man könne überspitzt sagen, dass die Kirche existiere, um Gottesdienste zu feiern und Zeugnis von dieser Wahrheit abzulegen, der Rest sei Verzierung. Christen seien Zeugen der Auferstehung. Es gehe demnach darum, als Christen Zeugnis vom Sieg Gottes über die Sünde, den Tod und das Böse zu bezeugen. Wer dies bezeuge und nicht stumm bleibe, finde eine Welt vor, die danach hungere, zuzuhören.
Kurt Koch, Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche, bezog sich in seiner Botschaft auf das Motto der Reformationsfeier: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“. In unserem Herzen entscheide sich demnach, ob wir Gottesdienst oder Götzendienst betreiben würden. Die fundamentale Aufgabe der Christen bestehe darin, Gott anzuerkennen und ihm mit Freude zu dienen. In einer überwiegend säkularisierten Gesellschaft gehe es darum, den lebendigen Gott zu bezeugen. Christen glaubten nicht an irgendeinen Gott, sondern an jenen Gott, der konkret sein Gesicht in Jesus von Nazareth den Menschen gezeigt habe und der sich durch dessen Worte geoffenbart habe. Dies könnten Reformierte und Katholiken gemeinsam bezeugen.
Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Weltkirchenrates ÖRK, stellte seinen Beitrag unter das Wort von Apostel Paulus im Römerbrief, 14,17: „Denn das Reich Gottes ist... Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist.“ Die Wiederentdeckung des Evangeliums Christi als eine Frohbotschaft der Hoffnung und Transformation sei ein Herzensanliegen der Reformation mit ihrer befreienden Botschaft an die Welt gewesen. Er kenne viele Menschen, so Tveit, die angesichts der besorgniserregenden Krisenzeichen die Hoffnung verlören, Angst hätten und Schlimmeres befürchteten. Andere sähen in der frohen Botschaft des Evangeliums einen Schatz, dem sie vertrauten und der sie nicht aufgeben liesse.
Grussworte zum Auftakt der anschliessenden Feierlichkeiten auf dem Münsterplatz richteten Margot Kässmann, Reformationsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der gleichzeitig Co-Präsident des Patronatskomitees des Reformationsjubiläums in der Schweiz ist. „Die Reformation hat in ihrer 500-jährigen Geschichte, die wir dieses Jahr zusammen feiern dürfen, viel dazu beigetragen, dass der christliche Geist – Opferbereitschaft und Engagement für die Schwächeren in unserer Gesellschaft – aktiv gelebt wird“, so Bundesrat Schneider-Ammann. „Zwinglis Einsatz für Bildung und Eigenverantwortung hat zur Mündigkeit des Bürgers massgebend beigetragen. Reformiert ist, wer in Freiheit Verantwortung übernimmt.“