Anlässlich der 54. Münchner Sicherheitskonferenz (Munich Security Conference) hat der Evangelische Militärbischof Dr. Sigurd Rink (Berlin) beim Forum "Future Security" in der bayerischen Landeshauptstadt davor gewarnt, die Last des militärischen Engagements an sozial Benachteiligte zu delegieren. Deutschland schicke viele Soldaten in kriegsähnliche Einsätze, doch seien diese Soldaten oft Menschen aus wirtschaftlich schwachen Regionen, wo es kaum Alternativen auf dem Arbeitsmarkt gebe. Bei ihnen handle es sich um "neue Söldner".
"Uns darf nicht gleichgültig lassen, wenn Menschen aus Not oder aus Mangel an Alternativen Soldat werden", sagte Rink vor einem Fachpublikum. Er bezog sich bei seinen Ausführungen auf den Historiker Michael Wolffsohn, der auf die stark unterschiedliche Rekrutierung der Bundeswehrsoldaten im Osten und Westen der Republik hinwies.
Delegation von Militäraktionen an die Armen
Seit Aussetzung der Wehrplicht im Jahr 2011 ist die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee. Alle Freiwilligen, die in der Bundeswehr dienen, sind verpflichtet, auch an militärischen Auslandsmissionen teilzunehmen. "Doch wer sind jene Freiwilligen, welche die Einsätze durchführen, die sich am eigenen Leib grossen Gefahren aussetzen, die auch ihre eigene seelische Gesundheit riskieren?", fragte der Militärbischof. Es wären solche Bürger, die auf dem zivilen Arbeitsmarkt kaum Chancen bekämen. Das nicht, weil sie unbegabt und faul wären, sondern ihrer regionalen Herkunft wegen. Überproportional oft stammten sie aus Ostdeutschland, der früheren DDR, wo die ökonomischen Strukturen schwächer seien als im Westen. Menschen, die im Krieg ihren Lebensunterhalt verdienen, weil sie wenig andere Möglichkeit finden, seien für Rink neue Söldner. "Wir delegieren Militäraktionen an die Armen. Die soziale Ungleichheit unseres Landes bildet sich in der Armee ab", beklagte der Militärbischof.
Rink kritisiert Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland
Wie Wolffsohn kritisierte auch der Bischof für die evangelische Seelsorge in der Bundeswehr die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland. Damit sei die Bundesrepublik hinter eine wichtige Errungenschaft der Französischen Revolution zurückgefallen. "Damals wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, aus der Idee heraus, dass der souverän gewordene Bürger für sein Land Verantwortung trägt und deshalb an der Verteidigung mitwirkt. Soldat zu sein, das war eine bürgerliche Ehrenpflicht, ganz unabhängig vom ökonomischen Status." Rink forderte: Aufgabe der Gesellschaft sei dafür zu sorgen, dass junge Staatsbürger aus allen Regionen Deutschlands aus Überzeugung Soldat werden, um Menschenrechte und Demokratie zu schützen.
Bundeswehr als Abbild einer wehrhaften Demokratie
Wenn der Deutsche Bundestag im Namen des ganzen deutschen Volkes Militäreinsätze in Mali oder Afghanistan beschliesse, gehe das alle Bürgerinnen und Bürger an und müsse auf viele Schultern verteilt werden, sagte der Militärbischof. Ändere sich an der Tendenz sozialer Ungleichheiten nichts, laufe die Armee Gefahr, den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren. Rink wünsche sich eine deutsche Armee, "die ein Spiegelbild der ganzen deutschen Gesellschaft ist, sie muss Abbild einer wehrhaften Demokratie sein".