An seiner ordentlichen Sitzung vom 14. April hat der Verwaltungsausschuss des Norddeutschen Verbandes (NDV) der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Hannover einstimmig eine „Stellungnahme zum Verständnis von Einheit“ beschlossen. Gleichzeitig beantragt der Ausschuss bei der adventistischen Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) die Rücknahme des Dokumentes „Beachtung und Umsetzung von Beschlüssen der Vollversammlung und des Exekutivausschusses der Generalkonferenz“.
Disziplinarmassnahmen sind bereits mit bestehender Regelung möglich
Der Ausschuss des Norddeutschen Verbandes nahm damit Stellung zum Beschluss des Exekutivausschusses der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz, GC-ExCom) vom 14. Oktober 2018, wie mit Regelverstössen von adventistischen Kirchenleitungen verfahren werden soll, die nicht in Übereinstimmung mit Beschlüssen der Weltkirchenleitung sind. Mit 185 zu 124 Stimmen sowie zwei Enthaltungen hatte der GC-ExCom das Dokument mit dem Titel „Beachtung und Umsetzung von Beschlüssen der Generalkonferenz-Vollversammlung [Weltsynode] und des Exekutivkomitees der Generalkonferenz [Weltkirchenleitung]“ angenommen. Aufgrund des beschlossenen Dokuments kann der Verwaltungsausschuss eines Verbandes oder einer Vereinigung (überregionale und regionale Kirchenleitung) Regelverstösse offiziell ermitteln und der jeweils nächsthöheren Dienststelle berichten. Werde keine Lösung auf der nächstgelegenen Verwaltungsebene gefunden, könne der Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz (GC-AdCom) die Angelegenheit an einen von fünf Beratungsausschüssen, die als „Ausschüsse zur Aufsicht der Einheit“ bezeichnet werden, zur Prüfung verweisen. Sollten abweichende Beschlüsse nicht rückgängig gemacht beziehungsweise keine Lösungsvorschläge unterbreitet werden, könne der Einheits-Ausschuss Empfehlungen für Disziplinarmassnahmen gegen den Präsidenten der abweichenden Verwaltungseinheit abgeben.
Dieses Verfahren zur Schlichtung kirchlicher Angelegenheiten war durch die Diskussion um die Ordination von Frauen zum Pastorendienst ausgelöst worden. Obwohl sich die adventistischen Weltsynoden von 1995, 2000 und 2015 mehrheitlich gegen die Frauenordination entschieden haben, gibt es inzwischen regionale und überregionale Kirchenleitungen (Vereinigungen und Verbände), die Pastorinnen ordiniert haben und die damit nicht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Generalkonferenz-Vollversammlungen sind.
Mit menschlichen Regelungen und Richtlinien zurückhalten
In der Stellungnahme des Norddeutschen Verbandes zum Verständnis von Einheit wird betont, dass die Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland Teil der weltweiten adventistischen Kirche und mit ihr im Glauben an Jesus Christus und in der Lehre verbunden seien. Doch werde die Einheit der Kirche allein durch Jesus Christus gewirkt und garantiert. Diese Einheit wäre nicht das Ergebnis menschlicher Anstrengung, sondern werde von Gott geschenkt. Einheit realisiere der Glaubende unmittelbar und lebensnah in der örtlichen Kirchengemeinde. Betont wird: „Einheit schliesst die Vielfalt ausdrücklich ein und grenzt sich somit gegen Einförmigkeit ab.“ Dabei stehe Einheit immer in einer fruchtbaren, lebendigen Spannung mit der Vielfalt.
„Diese Vielfalt begegnet uns in der weltweiten Adventgemeinde. Wir erleben sie als herausfordernd durch kulturelle Prägungen, andere theologische Schwerpunkte, Liturgien, rechtliche Fragestellungen. Dennoch wird in dieser Verschiedenheit Reich Gottes gebaut, indem Menschen in die Nachfolge Jesu gerufen werden. Deshalb dürfen wir uns mit menschlichen Regelungen oder Richtlinien zurückhalten, da in ihnen immer Beschränkung mitgegeben ist“, heisst es in der Stellungnahme. Einheit setze voraus, dass es Verschiedenheit gibt. Daher gehöre zur Einheit zwingend das Gespräch über Unterschiede. Eine Argumentation in den Kategorien von „richtig“ und „falsch“ polarisiere dabei mehr, als sie zum Verstehen von Vielfalt beitrage.
Es wird darauf hingewiesen, dass es in der Geschichte der Freikirche Beispiele von Dominanz und Bevormundung gegenüber anderen Frömmigkeitsstilen und individuell gelebter Glaubenspraxis „gab und gibt“. Ohne Rücksicht auf kulturelle Unterschiede seien dadurch Verletzungen entstanden, „die wir bedauern und Gott um Heilung bitten“.
Generalkonferenz-Ausschuss soll Dokument über Regelverstösse zurücknehmen
Aufgrund seines Verständnisses von Einheit fordert der Verwaltungsausschuss des Norddeutschen Verbandes den Exekutivausschuss der Generalkonferenz (GC-ExCom) auf, das umstrittene Dokument während seiner Jahressitzung im Oktober 2019 zurückzunehmen. Begründung: Die „Working Policy“ (Arbeitsrichtlinien der Generalkonferenz) und andere Richtlinien seien ausreichend, damit die verantwortlichen Stellen bei Problemen oder Kontroversen intervenieren könnten. Zudem löse das Dokument Konflikte auf Gemeindeebene aus, indem es den Geist des Misstrauens, des Kritisierens und Bewertens fördere sowie die Identifikation vieler Gemeindeglieder mit der weltweiten Kirche schwäche.
Gleichzeitig stellte der Norddeutsche Verband einen Antrag an die Generalkonferenz auf mehr Selbstbestimmung der Verbände.
Die Anträge des Norddeutschen Verbandes sind im Internet zu finden unter: http://bit.ly/2GilaVm
Die Präsidenten der Vereinigungen der Siebenten-Tags-Adventisten im Nord- und Süddeutschen Verband hatten bereits anlässlich ihrer Beratungen vom 12. bis 14. November 2018 in Friedensau bei Magdeburg einstimmig bekräftigt, dass die Grundlage der nationalen und internationalen Zusammenarbeit auch weiterhin „das gegenseitige Vertrauen und die Verbundenheit in Jesus Christus sein soll“. Sie befassten sich dabei ebenfalls mit dem umstrittenen Dokument des GC-ExCom. Auch sie waren der Ansicht, dass Vielfalt keine Bedrohung der Einheit sei, sondern deren Voraussetzung. Dazu gehöre ein sensibler Umgang mit Gewissensfragen in den adventistischen Kirchengemeinden. Einigkeit herrsche in der Überzeugung, „dass wir weiterhin auf die volle Gleichstellung von männlichen und weiblichen Geistlichen hinarbeiten wollen und werden.“
Adventisten in Tschechien und der Slowakei für Frauenordination
Die Siebenten-Tags-Adventisten in Tschechien und der Slowakei beschlossen auf ihrer gemeinsamen Delegiertenversammlung (Synode) im März 2019 die Möglichkeit der Ordination von Frauen als Pastorinnen in ihren Ländern. Auch sie forderten die Aufhebung des Dokuments des GC-ExCom zum Umgang mit Regelverstössen.
Siebenten-Tags-Adventisten eine weltweite Freikirche
Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist eine weltweit organisierte Freikirche mit über 21 Millionen mündig getauften Mitgliedern in 213 Ländern. In Deutschland gibt es knapp 35.000 Adventisten, in der Schweiz leben rund 4.750 und in Österreich 4.200 Adventisten.
Die Freikirche ist wie folgt organisiert: Die örtlichen Kirchengemeinden in einem bestimmten Gebiet gehören zu einer regionalen Kirchenleitung (Vereinigung), mehrere Vereinigung bilden als überregionale Kirchenleitung einen Verband bzw. eine Union, die Verbände/Unionen gehören zur Weltkirchenleitung (Generalkonferenz), die 13 teilkontinentale Kirchenleitungen (Divisionen) unterhält. Die deutschsprachigen Länder in Europa sowie der französisch- und italienischsprachige Teil der Schweiz sind der Intereuropäischen Division (EUD) mit Sitz in Bern/Schweiz angeschlossen.
In Deutschland gibt es den Norddeutschen Verband mit den Vereinigungen Berlin-Mitteldeutschland (Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen), Hansa (Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern), Niedersachsen-Bremen sowie Nordrhein-Westfalen. Der Süddeutsche Verband umfasst die Vereinigungen Baden-Württemberg, Bayern und Mittelrhein (Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland).
In der Schweiz gibt es Vereinigungen, die „Deutschschweizerische Vereinigung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten“ und die „Fédération des Eglises adventistes du septième jour de la Suisse romande et du Tessin», die gemeinsam eine Union bzw. einen Verband bilden.
Die österreichischen Adventgemeinden sind in einer Union bzw. einem Verband zusammengeschlossen: «Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Österreich»