Psychiater Torben Bergland, stellvertretender Leiter der Gesundheitsabteilung der adventistischen Weltkirchenleitung © Foto: Adventist News Network ANN

Adventistischer Psychiater äussert sich zu Fanatismus

Silver Spring, Maryland/USA | 21.07.2019 | APD | International

Am 3. Adventistischen Weltkongress zu Gesundheit und Lebensstil, der vom 9. bis 13. Juli im südkalifornischen Loma Linda/USA stattfand, referierte der Psychiater Torben Bergland, stellvertretender Leiter der Gesundheitsabteilung der Weltkirchenleitung, am 12. Juli darüber, wie fanatisches Denken funktioniert und wie es verhindert werden kann. Laut Adventist Review AR, nordamerikanische Kirchenzeitschrift, nahmen über 800 medizinische Fachleute, Gesundheits- und Lebensstilberater sowie adventistische Kirchenleiter aus 90 Ländern am Kongress unter dem Motto «YOUR BRAIN, YOUR BODY» teil.

Bergland zitierte aus dem Merriam-Webster-Wörterbuch und sagte: «Fanatismus ist eine Einstellung oder ein Verhalten, das vor allem durch übermässige Begeisterung, unvernünftigen Eifer oder ungezähmte und übertriebene Auffassungen zu einem Thema zum Ausdruck kommt». Gleichzeitig warnte der Psychiater davor, dass es nicht darum gehe, anderen Etiketten zu verteilen, sondern um etwas, für das wir alle ein Potenzial hätten. Er forderte die Kirche auf, Fanatismus zu vermeiden und sich darauf zu konzentrieren, in Jesus Ausgewogenheit zu finden.

Das Problem der Fehlbarkeit
Torben Bergland zitierte den Gelehrten H. J. Perkinson und sagte, dass «Fanatismus eine Flucht vor der Fehlbarkeit ist, und ein Mensch zu sein, bedeutet, fehlbar zu sein». Unsere Fehlbarkeit sei eine Realität, die schwer zu akzeptieren sei, weil alle gerne perfekt wären. Aber auch wenn alles, was Gott geschaffen hat, vollkommen ist, so Bergland, «ist alles, was die Menschheit macht, unvollkommen, unzulänglich».

Perkinson habe daran erinnert, dass der Mensch seinen Zustand der Fehlbarkeit ignorieren und erklären könne, dass sein Wissen der Wahrheit entspreche und dass seine Handlungen richtig seien. Mit anderen Worten, er kann behaupten, wie Gott zu sein. «An diesem Punkt wird er zum Fanatiker», sagte der Psychiater.

Fanatiker sind anti-aufklärerisch
Basierend auf Perkinson erklärte Bergland, dass ein Fanatiker rechthaberisch sei, indem er auf seinen Theorien, seiner Ideologie und seinen Lösungen bestehe. Der Fanatiker ist auch ein Obskurant bzw. anti-aufklärerisch, da er Argumente, Fakten oder Konsequenzen ignoriere oder nicht wahrnehmen könne, die seine Lösungsansätze widerlegen würden. «Und schliesslich ist ein Fanatiker autoritär», zitierte Bergland Perkinson: «Wenn er Macht hat, versucht er, seine Ansichten anderen aufzuzwingen.»

Dunning-Kruger-Effekt: Zu unwissend, um zu wissen, dass man unwissend ist
Fanatismus sei oft mit dem Problem der Unwissenheit verbunden, bei dem «die Unwissenden zu unwissend sind, um zu wissen, dass sie unwissend sind», sagte Bergland. Er verwies auf den Dunning-Kruger-Effekt, bei dem «leistungsschwache Personen in vielen sozialen und intellektuellen Bereichen sich ihrer mangelnden Expertise weitgehend nicht bewusst zu sein scheinen». («Als Dunning-Kruger-Effekt wird die systematische fehlerhafte Neigung relativ inkompetenter Menschen bezeichnet, das eigene Wissen und Können zu überschätzen und die Kompetenz anderer zu unterschätzen», Wikipedia). Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibe ein doppeltes Problem, da die Betroffenen durch ihr «unvollständiges und fehlgeleitetes Wissen sie zu Fehlern führe, aber dieselben Defizite verhinderten auch, dass sie erkennen würden, wann sie Fehler machten und andere Menschen eine weisere Entscheidung treffen würden», erklärte Bergland.

Mit Verweis auf E. Hoffer, amerikanischer Moral- und Sozialphilosoph, sagte Torben Bergland, dass der Fanatiker nicht durch einen Appell an seine Vernunft und sein moralisches Empfinden von seiner Sache abgebracht werden könne, aber er habe keine Schwierigkeiten, plötzlich und unkontrolliert von einer heiligen Sache zur anderen zu wechseln. «Er kann nicht überzeugt, sondern nur bekehrt werden», so Bergland.

Ein Fanatiker, erklärte Bergland laut AR, führe oft Akte der Selbstverleugnung durch, die ihm das Recht zu geben scheinen, hart und gnadenlos gegenüber anderen zu sein. Er zitierte Hoffer noch einmal: «Das Bewusstsein für Fehler und Unzulänglichkeiten verleitet die Frustrierten dazu, bei ihren Mitmenschen bösen Willen und Bosheit zu erkennen. Wir versuchen normalerweise, bei anderen die Fehler aufzudecken, die wir in uns selbst verstecken.»

«Wenn Menschen sehr verurteilend sind, sehr hart zu anderen, frage ich mich, wovor sie sich verstecken oder davonlaufen», sagte Bergland. «Wenn jemand scheinbar zu sehr auf eine bestimmte Sünde fokussiert ist, frage ich mich, ob die Person selbst tatsächlich mit genau dieser oder einer ähnlichen Sache zu kämpfen hat.»

Adventisten, Gesundheit und Fanatismus
Die Mitbegründerin der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten und Autorin Ellen G. White hatte ein tiefes Verständnis für Fanatismus, bemerkte Bergland. Obwohl White für Ernährungs- und andere Veränderungen zur Verbesserung der Gesundheit eingetreten sei, habe sie erklärt, dass das Ausufern in die Extreme «der Wunsch und Plan Satans» sei.

Sie habe laut Bergland in ihrem Buch "Evangelisation" geschrieben, dass unser Feind diejenigen zu uns hereinbringen wolle, die in die äussersten Extreme gehen werden - Menschen mit engstirnigen Ansichten, die kritisch und spitz seien und sehr hartnäckig, ihre eigenen Vorstellungen davon vertreten würden, was Wahrheit bedeute. Und sie habe hinzugefügt: «Sie werden fordernd sein und versuchen, strenge Pflichten zu erzwingen und grosse Anstrengungen in Angelegenheiten von untergeordneter Wichtigkeit zu leisten. Gleichzeitig vernachlässigen sie die gewichtigeren Angelegenheiten des Gesetzes - Urteilsvermögen und Barmherzigkeit sowie die Liebe zu Gott».

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