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"Ellen Whites Nachleben – Erhellende Einsichten - Fromme Fiktionen - Unbequeme Fakten"

Lüneburg/Deutschland | 27.04.2021 | APD | Buchrezensionen

George Knight, "Ellen Whites Nachleben – Erhellende Einsichten - Fromme Fiktionen - Unbequeme Fakten", Advent Verlag, Lüneburg, 2021, 227 Seiten, (14 x 21 cm), Paperback 19,90 €, Fr. 24.90; ISBN 978-3-8150-1988-7.

Ein weiteres Buch über eine der Gründerinnen der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten und ein weiteres von George Knight. Anhand seiner eigenen Biographie wagt der Autor einen ungeschönten Blick darauf, wie sich der Umgang mit der Literatur von Ellen White seit ihrem Tod 1915 verändert hat. George Knight, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Andrews-Universität in Michigan, USA, befasst sich sachlich und engagiert mit Jahrzehnte alten und auch aktuellen Fragen des Umgangs mit Ellen White‘s Gabe der Prophetie.

Zum Inhalt
Das Buch besteht aus zwei Hauptteilen: Die erste Hälfte beinhaltet eine Reise durch die Geschichte der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, in der zweiten Hälfte berichtet der Autor aus ureigenstem Erleben, wobei er auch mit Selbstkritik nicht spart. Dabei gibt sein Vorwort die inhaltliche Tendenz an, um die es ihm geht: „Prophetin oder Plagiatorin?“ In den 1970er Jahren verursachte diese Frage eine Krise in der Freikirche, sowohl akademisch als auch seelsorgerlich; deren Kulminationspunkt war die Veröffentlichung des Buches „The White Lie“ des kalifornischen Pastors Walter Rea, in welchem er seine Forschungsergebnisse darlegte. Diese zeigten auf, dass Ellen White mehrere Texte anderer christlicher Autoren ohne Quellenangabe übernommen hatte. George Knight geht auf diese Krise samt den Reaktionen der Weltkirche detailliert und anschaulich ein. Ähnlich wie Walter Rea durchlitten viele prominente Theologen und Verantwortungsträger der Kirche während jener Jahre einen Wechsel von zuweilen unreflektierter Glorifizierung Ellen Whites bis hin zur kompletten Ablehnung ihrer Person und ihrer Literatur.

Das Nachleben
Fünfzig bis sechzig Jahre liegen jene Ereignisse zurück, die der Autor als fabelhaft bezüglich der Bedeutung von Ellen White bezeichnet, ein halbes Jahrhundert nach deren Ableben anno 1915. Ihre Literatur wurde vielfach bei den damaligen Verantwortungsträgern, wie auch auf akademischer Ebene, also an den Ausbildungsstätten der Freikirche, als allein verbindlicher Bibelkommentar einerseits und als indiskutable Grundlage für Entscheidungsfindungen andererseits verstanden und angewandt. George Knight belegt dies aus seinem eigenen Erleben als Student, wie auch als Pastor und Pädagoge am Beginn seines beruflichen Werdegangs. Das Verständnis der Inspiration Ellen Whites hatte Veränderungen erfahren, von Ansätzen zur Verbalinspiration bis zur Leugnung jeglicher Inspiration. Mit einigen Beispielen skizziert der Autor die Konsequenzen dieses Wandels, belegt diese mit Namen und Zitaten und mit seiner eigenen Haltung zu jener Zeit.

Im folgenden Kapitel wird dann aufgezeigt, dass gegen Ende von Ellen Whites Lebzeit Fakten über die Art ihrer Schriften klar formuliert worden waren. An prominenter Stelle kommt dabei der Sohn von Ellen, William C. White, zu Wort. Auch andere Personen nennt und zitiert der Autor, sowie Textabschnitte von Ellen selbst, wie auch Niederschriften über Versammlungen der Freikirche. Interessant dabei ist, dass ihre Literatur schon zu ihren Lebzeiten diversen Angriffen ausgesetzt war und Stellungnahmen veranlasste, die auch ein gutes Jahrhundert später sehr informativ sind. Ellen White selbst betonte, dass sie als Person inspiriert wurde und auch in der Auswahl und Übernahme von Texten externer Autoren vom Heiligen Geist geleitet worden sei. George Knight empfiehlt, bei der Bewertung von Ellen Whites Literatur deren eigene Haltung bezüglich Inspiration, Textübernahme und Gewichtung wahr und ernst zu nehmen und so „angemessen“ zu agieren.

Dokumente
Der zweite Teil des Buches stellt eine Sammlung von Dokumenten dar, die teilweise als verschollen galten und durch intensives Graben in Archiven wieder ans Licht kamen. An erster Stelle wird die Sicht des bereits erwähnten Sohnes von Ellen White, William wiedergegeben. Zwei Texte aus 1911 und 1912, also noch zur Lebenszeit seiner Mutter verfasst, sind abgedruckt. Ein Brief von ihm an L. E. Froom (1890 – 1974), prominenter Historiker und Theologe in der Freikirche, gibt 1928 Auskunft über die erwähnten Grundfragen. Aus den frühen 70ern ist die Arbeit von D. McAdams über die Quellenforschung an Ellen Whites Literatur in George Knights Buch eingeflossen. Der Bericht über die Arbeit des Ausschusses über die Forschungsergebnisse des erwähnten Pastors Walter Rea schliesst sich an. Dieser Ausschuss arbeitete im Januar 1980 zwei Tage lang. Das Protokoll dieser Sitzung einschliesslich Anhang ist abgedruckt.

1982 wurde durch die Weltkirchenleitung Dr. Fred Veltmann berufen, das „Leben-Christi-Forschungsprojekt“ zu initiieren und zu leiten. Diese Arbeit dauerte bis 1988, die Ergebnisse wurden durch die Weltkirchenleitung 1988 bestätigt. Nach George Knight ist der Report die umfangreichste und tiefgehendste Analyse der Ellen-White-Literatur in der Geschichte der Adventisten. Sehr spannend das letzte Dokument: Protokolle der Bibelkonferenz von 1919. Dieses Dokument war bis 1979, also etwa sechzig Jahre, im Archiv der Weltkirchenleitung quasi verschollen, also nicht öffentlich zugänglich und nicht bekannt. Die unabhängige adventistische Zeitschrift „Spectrum Magazin“ veröffentlichte diese Protokolle. Die Texte lösten, so George Knight, damals einen Schock aus, da sich die „fabelhafte“ Sicht der 60er und 70er Jahre damit als historisch nicht begründbar erwies.

Fazit / Leseempfehlung
Der Text von George Knight liest sich flott und ansprechend. Selbst in der deutschen Übersetzung ist das Schreib- und Formulierungs-Talent des Autors deutlich erkennbar. Ob es seiner Altersweisheit zuzuschreiben ist (Jahrgang 1941), dass er immer mal wieder Ironie, auch Selbst-Ironie durchschimmern lässt?

Die enthaltenen Dokumente sind, durch ihr Alter und ihren Charakter bedingt, nicht leicht lesbar – das inhaltliche Interesse an der Lektüre an sich lässt dies aber nicht zum Hindernis werden; es kann sogar spannendes Lesevergnügen bereiten.
Helmut Wagner

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