\"Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten kann weder als neue religiöse Bewegung noch als Sekte betrachtet werden\", bestätigt eine gemeinsame Erklärung, die in Polen von der römisch-katholischen Kirche und der adventistischen Freikirche unterzeichnet wurde. Indem die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des jeweils anderen Partners anerkannt wird, wurde das Dokument nach 15-jährigen Gesprächen herausgegeben, die das Ziel hatten, die Lehren und Praktiken der Katholiken und Adventisten besser zu verstehen und die Beziehungen ohne Beeinträchtigung der Identität des andern zu verbessern. Die Erklärung enthält die Tatsache, dass \"die Beziehungen zwischen Katholiken und Adventisten in der Vergangenheit nicht die besten waren\". Sie wurde von dem Vorsteher der polnischen Adventisten, Pastor Wladyslaw Polok, dem Vorsitzenden der Kommission für Ökumenische Beziehungen der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Alfons Nossol, und weiteren Vertretern beider Kirchen unterzeichnet.
\"Mit Bedauern nehmen wir von Fällen Kenntnis, in denen verschiedene religiöse und staatliche Kreise der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten den kirchlichen Status verweigerten und sie sogar den Sekten zuordneten. Solch eine Behandlung ist untragbar und wir glauben, dass sie äusserst abträglich für die gegenseitigen Beziehungen ist\", heisst es in dem Dokument. \"Es bekräftigt die Religionsfreiheit. Wir betrachten es als eine wichtige Entwicklung, nicht nur für unsere Kirche in Polen. Religiöse Minderheiten werden zu oft geringer eingeschätzt, als sie wirklich sind\", sagte Pastor Polok. Die Erklärung erkenne an, dass die beiden Kirchen trotz mancher Entsprechungen auch Unterschiede in Lehre, Praktiken und Ordnungen hätten. Dennoch betonten beide Seiten die Notwendigkeit, sich gegenseitig zu achten und sich besser verstehen zu lernen. Die Gesprächsreihe sei auf einer partnerschaftlichen Basis, im Geist gegenseitigen Respekts und christlicher Liebe sowie in Anerkennung der Ideale von Toleranz und religiöser Freiheit geführt worden, wobei beide Seiten darauf geachtet hätten, \"ihre volle Identität zu bewahren\".
Professor Zachariasz Lyko, der die Abteilung für öffentliche Beziehungen der polnischen Adventisten viele Jahre geleitet hatte, sagte: \"Dies ist für unsere Kirche ein bedeutendes Ereignis.\" Die Entwicklung sei nicht ein Ergebnis von Kritik, öffentlichen Angriffen oder Konfrontation, sondern von christlicher Freundlichkeit gegenüber dem anderen und Achtung vor der Würde des Menschen gewesen. \"Viele von uns können sich daran erinnern, wie wir uns mit den verschiedenen Bezeichnungen versehen haben. Wir haben uns missverstanden und oft lächerlich gemacht. Wir bekennen, dass christliche Liebe eine andere Art des Umgangs miteinander erfordert. Als Siebenten-Tags-Adventisten bemühen wir uns um eine positive Haltung gegenüber anderen Bekenntnissen. Wir haben dies öffentlich dargelegt, und das Dokument bekräftigt unsere Einstellung.\"
Die Erklärung befasst sich nicht mit Lehr- oder theologischen Fragen. Während der jahrelangen Gespräche hatten beide Seiten ihre theologischen Ansichten und lehrmässigen Positionen dargestellt, um sich besser zu verstehen. Es sei dabei nicht um die Erzielung von Kompromissen in Lehrfragen gegangen, sondern um zu erkennen, wie der andere sich selbst sehe, betonte Lyko. \"Wir folgten damit den Gründern unserer Kirche. Es ist immer besser, sich an Gesprächen in gegenseitiger Achtung statt an Konfrontationen zu beteiligen, die meist die angestrebten Änderungen verhindern.\" Während der Jahre des Austausches seien viele lehrmässige Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede festgestellt worden. \"Die katholische Seite anerkennt in dem Dokument den auf Christus bezogenen Charakter unseres Glaubens und besonders unser Festhalten an der Trinitätslehre. Andererseits sehen wir besonders in den letzten Jahren eine Offenheit der katholischen Kirche gegenüber der Bibel\", sagte Lyko.
Von den 38,5 Millionen Polen gehören etwa 90 Prozent der römisch-katholischen Kirche an. Die seit 1891 im Land vertretenen Siebenten-Tags-Adventisten zählen heute 5 500 erwachsene getaufte Mitglieder in 123 Gemeinden. Die Freikirche ist seit 1995 staatlich anerkannt, hat einen Gaststatus im Polnischen Ökumenischen Rat (PÖR) und unterhält ein theologisches Seminar, ein Altenheim, ein Verlagshaus sowie eine Produktionsstätte für Rundfunk- und Fernsehsendungen.