"Freikirchen und Politik - eine Standortbeschreibung“ lautete das Thema der Herbsttagung des Vereins für Freikirchenforschung, zu der 40 Interessenten ins Bergheim Mühlenrahmede der Siebenten-Tags-Adventisten nach Altena kamen. Der Vereinsvorsitzende, Professor Dr. Erich Geldbach, Universität Bochum, stellte in seiner Einführung zur Thematik die Frage, inwieweit Freikirchen öffentlichkeitsirrelevant seien. Er kam zu dem Ergebnis, dass Freikirchen zuerst durch vielfältige Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung seitens der grossen Kirchen irrelevant gemacht worden seien, dann sich aber auch selbst isoliert hätten. Dennoch habe es immer wieder einzelne herausragende Persönlichkeiten und Aktionskreise gegeben, die sich politisch eingemischt hätten. Walter Bromba, Kommunalpolitiker der Grünen in Frankfurt/Main, berichtete sehr persönlich von seinen Erfahrungen als Adventist in der Politik. Er plädierte für eine Einmischung in kommunale Angelegenheiten, denn die Durchsetzung der Grundrechte fänden vor Ort statt. Zudem könnten freikirchliche Gruppen nicht erwarten, wahrgenommen zu werden, wenn sie nicht bereits im Vorfeld wichtiger Entscheidungen Lobbyarbeit betrieben.
Die Kirchenhistorikerin des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Kristiansand/Norwegen, Dr. Ingunn Breistein, gab einen Einblick in die Entwicklung der Religionsfreiheit und der Freikirchen in Norwegen während der letzten 150 Jahre. Dabei habe sich der Staat und mit ihm die lutherische Staatskirche lange Zeit als äusserst reformresistent gezeigt. Erst 1969 sei es beispielsweise Freikirchlern möglich gewesen, in den Staatsdienst als Postbote oder Lehrer aufgenommen zu werden. Bis dahin habe es de facto keine Religionsfreiheit in Norwegen gegeben. Johannes Hartlapp, Dozent an der Theologischen Hochschule der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, berichtete von Kompromissen, die Adventisten im Ersten Weltkrieg wegen des Militärdienstes eingingen. In der Aussprache wurde deutlich, dass diese Fallstudie zahlreiche Parallelen zur politischen Haltung anderer Freikirchen biete. Es sei reagiert worden, statt zu agieren. Das eigene Bestehen schien wichtiger als Zivilcourage. In Krisenzeiten habe man sich auf die Rettung von Seelen beschränkt und sei dem akuten Konflikt aus dem Weg gegangen.
Carl Ordnung zeigte am Beispiel des Arbeitskreises Evangelisch-methodistischer Christen in der DDR, in welchen Konflikten Christen in der DDR versucht hätten, politisch relevant zu sein. Dr. Dietmar Lütz, Vertreter der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) am Sitz der Bundesregierung, sprach über den Wertewandel in der Politik. Die Politiker hofften auf Menschen, die Werte verkörperten und sich mutig einmischten. Allerdings bedürfe es verschiedener Faktoren, um sich einmischen zu können: Etwa der Fähigkeit zum ethischen Kompromiss, einer positiven Weltsicht und Willigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Gruppen. Die in Altena gehaltenen Referate werden im Jahrbuch 2004 des Vereins für Freikirchenforschung veröffentlicht.