Die Bibliothek des Seminars Schloss Bogenhofen in St. Peter am Hart (Oberösterreich), der deutschsprachigen Ausbildungsstätte der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten der Schweiz und Österreichs, erhielt ein besonders wertvolles Geschenk: eine zweispaltig gedruckte Bibel aus dem Jahre 1561 in der Übersetzung von Johannes Dietenberger.
Diese Bibel stellt das älteste Buch im Besitz der Bibliothek dar. Sie ist wahrscheinlich die älteste überhaupt, die sich im Bestand einer adventistischen Institution in Europa befindet.
Wenn man die Bibel aufschlägt, dann liest man in ungewohnter Rechtschreibung: „Bibell, das ist: Alle bücher Alts und News Testaments / nach alter in Christlicher Kyrchen gehabter Translation / mit Auslegung etlicher dunckeler ort / ... Durch Doctor Johan Dietenberger / fleissig / trewlich und Christlich corrigiert und gebessert ...“. Darunter findet sich der Vermerk, dass sie 1561 durch die Erben des Johan Quentel in Köln gedruckt wurde.
Wer war dieser Dr. Dietenberger?
Johannes Dietenberger (ca. 1475-1537), ein Dominikaner, wirkte nach etlichen Lebensstationen zuletzt als Theologieprofessor in Mainz. Als Katholik gehörte er zu den Theologen, die auf dem Augsburger Reichstag 1530 damit beauftragt wurden, die evangelischen Lehren des entstehenden Luthertums zu widerlegen. Er verfasste zahlreiche Schriften. Seine wichtigsten Werke sind ein deutscher Katechismus aus dem Jahr 1537 und seine Bibelübersetzung, die erstmals 1534 in Mainz erschien.
In seiner Bibelübersetzung hielt er sich im Neuen Testament fast ganz an die Übersetzung von Hieronymus Emser (katholische Übersetzung von 1529), die Apokryphen schrieb er ziemlich wörtlich vom Zürcher Leo Judae ab, und für das Alte Testament benutzte er in starkem Maß Martin Luthers Bibelübersetzung, daneben aber auch ältere katholische Übersetzungen und die Vulgata. Dietenbergers Bibelübersetzung erlebte bis ins Jahr 1600 beachtliche 21 Auflagen. Dietenberger wurde damit der Bearbeiter der erfolgreichsten katholischen deutschen Bibelübersetzung im 16. Jahrhundert und gewann große Bedeutung in der Gegenreformation. Im Grunde sollte seine Übersetzung die Wirkung der Lutherbibel im katholischen Bereich aufhalten. Seine Bibelübersetzung wurde bis ins 18. Jahrhundert immer wieder neu aufgelegt.
Dietenberger schrieb selbst, dass es seine Absicht war, die jüngst erschienenen Übersetzungen durchzusehen und im katholischen Sinn zu korrigieren. Dabei stellte er keinen Anspruch auf Originalität und übernahm auch viele Formulierungen seines Gegners Luther. Trotzdem sagte er: „Damit sich hinfort niemand aus den unsern beklagen dürfe, dass ihm das Evangelium oder das Wort Gottes verhalten oder geweigert werde ... und ein jeder frommer Christ ... Luthers verkehrte Dolmetschung desto besser erkennen und sich davor bewahren möge.“
Die Bibelausgabe in der Übersetzung Dietenbergers ist zweispaltig gedruckt und enthält knapp über 100 Holzschnitte, speziell zum Buch der Offenbarung. Das der Bibliothek des Seminars geschenkte Exemplar ist recht gut erhalten, wenngleich die allerletzten Seiten des Buches der Offenbarung fehlen.