Heftiger Regen und mehrere Nachbeben haben die Lage für die Flutopfer in Asien am Neujahrstag weiter verschlimmert. In Sri Lanka musste ein Auffanglager mit 2.000 Menschen evakuiert werden, in Indonesien erhöhte der Regen die Seuchengefahr. Die Zahl der insgesamt registrierten Todesopfer stieg bis Samstag auf mehr als 123.000, die UN rechnen mit einem Anstieg auf 150.000. Allein 80.246 Tote sind in Indonesien zu beklagen.
Der internationale Einsatz zur Unterstützung der Überlebenden im asiatischen Katastrophengebiet trägt nach Angaben von UN-Koordinator Jan Egeland erste Früchte. "Wir sehen, dass die Unterstützung in allen betroffenen Ländern zunehmend effektiv wird", sagte Egeland am Sonntagabend in New York. Die Engpässe bei der Verteilung der Hilfsgüter in Sri Lanka und den Malediven seien mittlerweile überwunden. Problematisch bleibe aber die Lage auf der indonesischen Insel Sumatra, wo über 80.000 Menschen ums Leben kamen.
Die UN-Sondergesandte für humanitäre Hilfe hat auf die Notwendigkeit einer psychologischen Unterstützung der Flutopfer in Asien hingewiesen. Viele der obdachlos gewordenen Menschen in den Notaufnahmelagern seien traumatisiert, sagte Margareta Wahlström am Sonntag bei einem Besuch in Sri Lanka. Präsidentin Chandrika Kumaratunga habe ihr gesagt, dass die Regierung sich um psychiatrische und psychologische Hilfe bemühe, dabei aber die Unterstützung der UN benötige. Am dringlichsten sei nach wie vor die Bereitstellung sanitärer Einrichtung und sauberen Wassers, fügte Wahlström hinzu.Hoch erfreut zeigte sich der UN-Beauftragte für humanitäre Einsätze über die Hilfszusagen aus aller Welt von insgesamt über zwei Milliarden Dollar. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen sei damit die Summe übertroffen worden, die die UN in ihrem Spendenaufruf an die Mitgliedstaaten gefordert hatten. Allerdings würden nach dem unmittelbaren Rettungseinsatz noch weitaus größere Summen für den Wiederaufbau benötigt werden.
Eine Woche nach der schwersten Naturkatastrophe seit Menschengedenken kommt die Hilfe für die Millionen Obdachlosen langsam in Gang. Die Gefahr einer Hungersnot ist nach UN-Angaben gebannt, allerdings steigt das Seuchenrisiko weiter. Die Behörden in den elf betroffenen Ländern meldeten bis zum Sonntag mehr als 123.000 Todesopfer. Ihre Zahl könnte nach Schätzung der Vereinten Nationen auf 150.000 steigen, da es kaum noch Hoffnung für die Vermissten gibt.
"Nach sieben Tagen ist die Chance, Überlebende zu finden, nur noch sehr gering", sagte ein Einsatzleiter auf der indonesischen Insel Sumatra. "Wir sind kurz davor, den Such- und Rettungseinsatz zu beenden." Auf der indonesischen Insel, die am 26. Dezember sowohl von direkten Auswirkungen des Seebebens der Stärke 9,0 als auch von der folgenden Flutwelle heimgesucht wurde, bargen die Rettungskräfte bisher mehr als 80.000 Leichen.
Trotz großer Probleme in der Infrastruktur erreichten am Wochenende immer mehr Hilfsgüter die Katastrophengebiete. In Indonesien traf am Samstag der US-Flugzeugträger "Abraham Lincoln" ein. Von dort aus starteten Hubschrauber mit Wasser, Nudeln und Keksen zu Dörfern der Provinz Aceh. Vor dem zur Hälfte zerstörten Fischerdorf Meulaboh ankerten vier Fregatten der indonesischen Marine mit Hilfsgütern. Ein AP-Reporter beobachtete, wie Einwohner des Dorfes über Leichen kletterten und sich Töpfe und Pfannen aus eingestürzten Hütten holten.
Erste Schiffe der indischen Marine erreichten am Sonntag auch die abgelegensten Inseln der Andamanen und Nikobaren und versorgten die ausgehungerten Überlebenden. "Ganze Dörfer sind verschwunden", sagte Einsatzleiter J.M. Devadoss auf Car Nicobar. Die indische Inselgruppe westlich von Sumatra wurde am Sonntag abermals von Nachbeben bis zu einer Stärke von 5,9 erschüttert.
Dennoch gab es ersten Optimismus. Das Problem der Verteilung von Hilfsgütern habe sich entspannt, sagte UNICEF-Sprecher John Budd. Es gebe keine Gefahr einer Hungersnot, "Aber es gibt ein Risiko von Krankheiten, wenn wir nicht die Wasser- und Sanitärprobleme lösen können." Besonders groß sind diese auch in Sri Lanka. Dort überschwemmten am Samstag heftige Regenfälle weite Teile des Katastrophengebiets.
Die Zahl der Flutopfer in Sri Lanka hat am Montag die Marke von 30.000 überschritten. Das Katastrophenzentrum in Colombo gab die Zahl der registrierten Toten am Mittag mit 30.196 an - eine Zunahme von fast 1.500 binnen 24 Stunden. In diesem Zeitraum seien vor allem in der nordöstlichen Region Trincomalee zahlreiche neue Leichen entdeckt worden, hieß es. Die Behörden erklärten, sie Opferzahl könne auf 35.000 steigen, zumal noch rund 4.000 Menschen vermisst würden. Ferner wurden den Angaben zufolge rund 16.000 Verletzte registriert. Fast eine Millionen Menschen in dem Inselstaat wurden obdachlos und in 770 provisorischen Lagern untergebracht.Bei den Bergungsarbeiten in den zerstörten Ferienzentren setzt Thailand inzwischen auch Arbeitselefanten ein. Vor allem in schwer zugänglichen Gebieten seien die Tiere ideal, um schwere Trümmerteile aus Gebäuden zu ziehen, sagte ein Verwaltungsbeamter.
An einigen Stränden auf Phuket kehrte unterdessen wieder der touristische Alltag ein. Ausländische Urlauber sonnten sich am Strand oder vergnügten sich beim Wasserski. Regierungschef Thaksin Shinawatra traf am Sonntag auf Phuket mit Touristen zusammen und sagte ihnen: "Genießen Sie ihren Aufenthalt!" Seine Regierung werde alles tun, um dies möglich zu machen.
Hilfsgruppen bemühten sich unterdessen, die womöglich grösste Rettungsoperation in der Menschheitsgeschichte in Gang zu setzten. Der Leiter des Krisenstabes der Weltgesundheitsorganisation, David Nabarro, fürchtet dennoch von einer Verdoppelung der Opferzahl durch Seuchen, Krankheiten und Hunger. Zerstörte Zugangswege und Sicherheitsprobleme auf Grund jahrelanger Bürgerkriege verzögerten allerdings die Hilfslieferungen in die am schwersten betroffenen Regionen.
Nach dem verheerenden Seebeben in Südostasien haben die reichsten Länder der Welt mehr als 180 Millionen Euro Soforthilfe für die Katastrophenregion zugesagt. Hinzu kommen Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen der UN und anderer internationaler Hilfsorganisationen, die von einer überwältigenden Spendenbereitschaft der Bevölkerung berichten. Nach Schätzungen der UN werden für die Wiederaufbauarbeiten jedoch Milliarden nötig sein.
UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich zufrieden mit der Spendenbereitschaft der Staatengemeinschaft nach der Flutkatastrophe im Indischen Ozean gezeigt. Wie Annan am Donnerstag in New York zu Journalisten sagte, liegen bislang Hilfszusagen der Regierungen für die Opfer des Seebebens in Höhe von 500 Millionen Dollar (367 Millionen Euro) vor. Dies sei eine sehr gute Reaktion der Weltgemeinschaft, sagte Annan auf eine entsprechende Frage.
Die Europäische Union sprach sich für eine internationale Geberkonferenz zum Wiederaufbau der Staaten im Indischen Ozean aus. Der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Louis Michel stellte am Dienstag in Brüssel zugleich weitere Finanzhilfe der Europäischen Union bis zu 30 Millionen Euro in Aussicht. Brüssel hat bereits drei Millionen Euro an Notfallhilfe zugesichert.
Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey hat sich in Südthailand betroffen über die Situation im Krisengebiet gezeigt. Sie ließ sich am Sonntag aus erster Hand über die Hilfseinsätze informieren. Noch am Sonntag reiste sie nach Bangkok, wo weitere Gespräche geplant waren. Für Montag war der Weiterflug nach Sri Lanka vorgesehen.Calmy-Rey traf sich mit Vertretern der Schweizer Botschaft in der Region von Phuket sowie mit Helfern und Experten, wie ihr Sprecher Ivo Sieber sagte. Sie habe dabei Informationen aus erster Hand bekommen und sich bestürzt über die Situation gezeigt. Sie sehe ihre Aufgabe darin, die Helfer vor Ort zu unterstützen und zu ermutigen. Calmy-Rey habe sich aber auch für die Situation der Bevölkerung in der Region und ihre Bedürfnisse nach der Katastrophe interessiert. Sie führte unter anderem Gespräche mit dem thailändischen Innenminister sowie dem Gouverneur der Provinz Phuket und dem Gouverneur der Provinz Krabi. Dabei habe sie festgestellt, dass die Zusammenarbeit der bilateralen und multilateralen Organisationen gut funktioniere.
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs bekundeten den betroffenen Ländern ihre Anteilnahme. Die Europäische Union stellte eine Soforthilfe von drei Millionen Euro bereit. Hilfsorganisationen wie das "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe" (mit DRK, Caritas International, Diakonie, Unicef), die " Aktion Deutschland Hilft" (mit action medeor, ADRA, Arbeiterwohlfahrt, CARE, Arbeiter-Samariter-Bund, der Paritätische Wohlfahrtsverband, HELP, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst und World Vision) sowie die Schweizer Glückskette bereiten mit ihren Partnerorganisationen erste Hilfsmassnahmen vor und riefen zu Spenden auf. Papst Johannes Paul II. forderte internationale Hilfsmassnahmen für die Opfer der Flutkatastrophe.Vor genau einem Jahr waren ebenfalls am Zweiten Weihnachtsfeiertag bei einem Erdbeben im iranischen Bam mindestens 35 000 Menschen getötet worden.
On-line Redaktion: Christian B. Schäffler
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