Adventistin muss am Samstag nicht arbeiten
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat einem Mitglied der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventistin Recht gegeben, aus religiösen Gründen die Arbeit am Samstag zu verweigern. Der Arbeitgeber wurde verurteilt, die gegen die Klägerin ausgesprochenen Abmahnungen aus deren Personalakte zu entfernen. Die seit 1991 in einem Unternehmen mit 2 000 Mitarbeitern beschäftigte Chemiehelfern schloss sich im Jahr 2000 der protestantische Freikirche an. Adventisten feiern den biblischen Sabbat, den Samstag, als Ruhetag. Im Jahr 2003 vereinbarten Geschäftsleitung und Betriebsrat flexible Arbeitszeiten mit bis zu zehn Schichten am Samstag pro Jahr.
Im August 2004 sollte auch die Klägerin erstmals an einem Samstag arbeiten. Ihr Hinweis, dass ihr dies aus religiösen und Gewissensgründen nicht möglich sei, blieb unberücksichtigt. Angebote der Arbeitnehmerin, anstelle des Samstags am Sonntag zu arbeiten oder ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sofern damit eine Einteilung am Samstag vermieden werden könne, lehnte der Arbeitgeber mit dem Hinweis ab, dass er alle Beschäftigten gleich behandeln wolle, da Ausnahmen zur Benachteiligung anderer Mitarbeiter und damit zu Unfrieden im Betrieb führten. Als die Klägerin nicht zur eingeteilten Samstagsschicht erschien, erhielt sie eine Abmahnung. Zwei weitere Abmahnungen wegen Arbeitsverweigerung an dem von ihr gefeierten Sabbat folgten. Während der Gerichtsverfahren kündigte die Firma das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt fristgerecht.
Die Klage gegen die Abmahnungen war beim Arbeitsgericht Neumünster erfolglos. Es sei dem Unternehmen nicht zumutbar, die Klägerin von der Regelung der Betriebsvereinbarung auszunehmen. Im Übrigen handele es sich nur um zehn Schichten im Jahr, an allen anderen Samstagen könne die Arbeitnehmerin ihre Religion ungehindert ausüben, heißt es in der Urteilsbegründung.
Das Landesarbeitsgericht in Kiel entschied dagegen (Aktenzeichen: 4 Sa 120/05), dass im vorliegenden Fall für die Klägerin keine Verpflichtung bestünde, die Samstagsschichten abzuleisten. Der beklagten Firma sei zumutbar, die adventistische Arbeitnehmerin dazu nicht einzuteilen und gegebenenfalls bei etwaigen Unmutsäußerungen innerhalb der Belegschaft um Verständnis für die Haltung der Klägerin zu werben. Das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit, das nicht nur im Artikel 4 des Grundgesetzes, sondern auch nach Artikel 9 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sei, habe einen „hohen Stellenwert“. Bloße Vermutungen und Befürchtungen, dass es zu konkreten Betriebsablaufstörungen kommen müsse, wenn die Klägerin von der Samstagsschicht befreit werde, reichten nicht aus, um ein Grundrecht einzuschränken. Der Arbeitgeber habe nicht darlegen können, dass es im vorliegenden Fall tatsächlich zu konkreten Belastungen des Betriebes oder der Betriebsabläufe gekommen sei. Nur dann wäre eine andere Beurteilung denkbar.
Eine Revision gegen das Urteil ließ das Landesarbeitsgericht nicht zu. Dagegen hat der Arbeitgeber eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Bis zur Entscheidung über die Beschwerde wurde der Kündigungsrechtsstreit ausgesetzt und die Arbeitnehmerin zu den bisherigen Bedingungen in dem Unternehmen weiterbeschäftigt. Sollte die Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen werden, befände sich die Klägerin wieder in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.