Wenige Tage vor dem Millennium+5-Gipfel der Vereinten Nationen (UNO) in New York üben Schweizer Hilfswerke, Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltorganisationen harte Kritik am Verhalten des Schweizer Bundesrates. Mit seiner Weigerung, sich finanziell stärker für die Millenniumsziele zur Halbierung der Armut bis 2015 zu engagieren, isoliere der Bundesrat die Schweiz international. Wie die UNO-feindlichen USA, die das Millenniumsprogramm ganz ausradieren wollten, behindere die Schweiz so einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz. In einem gemeinsamen Aufruf fordern Alliance Sud, Amnesty International, Pro Natura und der Schweizerische Gewerkschaftsbund den Bundesrat zu mehr Engagement für die Millenniumsziele auf: Er solle seine Entwicklungshilfe erhöhen und die Wirtschafts- und Handelspolitik stärker auf die Bekämpfung der weltweiten Armut, die Förderung der Menschenrechte und eine ökologisch nachhaltige Entwicklung ausrichten.
Die Schweiz habe sich in den internationalen Diskussionen, wie die Millenniumsziele zur Halbierung der schlimmsten Armut bis 2015 erreicht werden können, bisher passiv bis abwehrend verhalten, kritisierte Bastienne Joerchel von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, in Bern. Die Schweiz sei zusammen mit den USA das einzige wichtige Industrieland, das mit leeren Händen nach New York komme. Sie lehne eine Erhöhung der Entwicklungshilfe ebenso ab wie die Diskussion über neue Finanzierungsinstrumente (globale Steuern). Damit spiele die Schweiz das Spiel der USA, welche am Uno-Gipfel jede Diskussion über die Millenniumsziele und einen verstärkten Kampf gegen die Armut verhindern wollten. Die Haltung der Schweiz stehe in scharfem Kontrast zu den Bemühungen der EU-Mitgliedsländer, die ihre Hilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandeinkommens erhöhen wollten. Joerchel forderte den Bundesrat auf, seine destruktive Rolle aufzugeben und sich am „Millennium+5“-Gipfel zu einer schrittweisen Erhöhung der schweizerischen Entwicklungshilfe zu bekennen.
Der Generalsekretär der Schweizer Sektion von Amnesty International, Daniel Bolomey, forderte die Respektierung der Menschenrechte. Bolomey wörtlich: „Armut ist nicht Schicksal, sondern Ausdruck einer Missachtung grundlegender Rechte und einer ungleichen Verteilung von Chancen und Ressourcen“. Wer die Armut nachhaltig bekämpfen und die Millenniumsziele erreichen wolle, müsse konsequent die Menschenrechte fördern, betonte er. Im Zentrum stünden die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Auch die Schweiz handle oft widersprüchlich: International profiliert sie sich gerne als Hüterin der Menschenrechte. Doch gleichzeitig versucht sie, Panzer in den Irak zu liefern, statt sich für eine bessere Kontrolle des internationalen Waffenhandels einzusetzen, und sie missachtet die Rechte von Asylsuchenden. Bolomey forderte den Bundesrat auf, die Menschenrechte auch dort konsequent umzusetzen, wo es um Geschäfte gehe. Am Millennium+5-Gipfel solle er sich dafür einsetzen, dass der geplante Menschenrechtsrat dem Sicherheitsrat gleichgestellt werde. Die Menschenrechtsorganisationen befürworten Genf als Sitz des neuen Menschenrechtsrats.
Alliance Sud ist die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der sechs grossen Schweizer Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer (kath.), Brot für alle (prot.) , Helvetas, Caritas (kath.) und HEKS (prot.). Sie wurde 1971 gegründet. Alliance Sud will die Politik der Schweiz mit Eingaben und Gesprächen, mit öffentlichen Kampagnen und einer effizienten Informationsarbeit zugunsten der armen und entrechteten Menschen dieser Welt beeinflussen.
In ihrer Millenniums-Erklärung vom September 2000 hat sich die UNO als Staatengemeinschaft zum Ziel gesetzt, die extreme Armut bis 2015 zu halbieren.