Der für die Einheitsbemühungen des Vatikans zuständige Kardinal Walter Kasper wies in einem Gespräch mit Radio Vatikan darauf hin, dass die bevorstehende Papstreise in die Türkei vor allem einen ökumenischen Charakter habe. Der Leiter des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen sagte gegenüber Radio Vatikan: "Wir wollen wieder herausstellen, dass man die ökumenischen Fragen angesichts der interreligiösen Fragen nicht untergehen lassen darf. Wir können ja die interreligiösen Fragen nur sinnvoll angehen, wenn die Kirchen zusammenstehen, zusammen diskutieren und sich nicht auseinanderdividieren lassen. Es hängt also beides zusammen. Wir erhoffen uns von diesem Besuch beim Ökumenischen Patriarchen neuen Anstoss, neuen Schwung und neue Begeisterung für die Gespräche mit allen orthodoxen Kirchen. Das ist ja für Europa ganz wichtig, denn die meisten Länder auf dem Balkan, die jetzt in die EU hineinkommen beziehungsweise schon drin sind, sind ja orthodoxer Tradition; diese Eingliederung von Ost- nach Westeuropa oder, besser gesagt, die Integration beider ist nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein ökumenisches Problem. Wir müssen die Herzen dieser Menschen gewinnen, und die sind natürlich stark von der Orthodoxie geprägt. So hat das Ganze auch eine politische Dimension."
Über den Inhalt der "Gemeinsamen Erklärung" von Papst und Patriarch, die am 30. November in Istanbul bei einer Liturgiefeier in der Patriarchatskathedrale St. Georg unterzeichnet werden soll, wollte Kardinal Kasper dem vatikanischen Sender keine Einzelheiten verraten. Der Text der Erklärung wurde zwischen dem vatikanischen Einheitsrat und dem Ökumenischen Patriarchat in Istanbul ausgehandelt. Kardinal Kasper wörtlich: "Spektakuläre Dinge erwarte ich eigentlich nicht, sondern es ist eine Ermutigung, den jetzt neu eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Es kommt ja auch nicht nur auf die Erklärungen an, sondern auch auf die Atmosphäre, auf das gute persönliche Einvernehmen zwischen den leitenden Häuptern von Kirchen, und in dieser Hinsicht wird dieser Besuch sicher etwas bringen."
Mit dem neuen Weg umschrieb der Kardinal die Fortsetzung des theologischen Dialogs beider Kirchen. Nach sechsjähriger Unterbrechung tagte im September in Belgrad erstmals wieder die katholisch-orthodoxe Dialog-Kommission. Die vom vatikanischen Ökumene-"Minister" Kardinal Walter Kasper und dem orthodoxen Metropoliten Ioannis Zizioulas von Pergamon geleitete Experten-Konferenz nahm damit den im Jahr 2000 ausgesetzten Dialog zwischen den getrennten Kirchen wieder auf. Zu diesem Neubeginn hatte sich im Dezember 2005 ein gesamtorthodoxes Treffen unter Leitung von Patriarch Bartholomaios I. in Istanbul entschlossen.
Nach erfolgreichem Beginn traten beim 1979 offiziell eröffneten römisch-katholisch-orthodoxen Dialog in den 90er Jahren Schwierigkeiten auf. Bei ihrem bislang letzten Treffen 2000 in Baltimore konnten sich die Mitglieder nicht auf ein gemeinsames Schluss¬dokument zur Frage der mit Rom unierten Ostkirchen einigen.