Am Sitz des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) in Brüssel wurde am Morgen des 20. Juni im Rahmen einer Expertenkonferenz zum Sonntagsschutz die Europäische Sonntagsallianz gegründet. Die Europäische Sonntagsallianz ist ein Netzwerk bereits bestehender nationaler Sonntagsallianzen, Gewerkschaften, kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen, die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben sowie die Stärkung des sozialen Zusammenhalts einsetzt. Gleichzeitig fordert die Allianz auch die Verankerung des arbeitsfreien Sonntags in der neu auszuhandelnden Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) auf EU-Ebene.
Die „erste europäische Konferenz zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags“ am 24. März 2010 im Europäischen Parlament in Brüssel, habe den Auftakt zur Gründung der Europäischen Sonntagsallianz gebildet, teilte das Netzwerk mit. Die Vertreter der kooperierenden Organisationen hätten eine Gründungserklärung zur Schaffung der Allianz formuliert, in der „gerechte, gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen“ gefordert wurden wie auch „das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“
Ein arbeitsfreier Sonntag und angemessene Arbeitszeiten seien ein hohes Gut für die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa, heisst es in der Gründungserklärung der Allianz. Arbeitnehmer hätten das Recht auf angemessene Arbeitszeiten, „die prinzipiell den späten Abend, die Nächte, die gesetzlichen Feiertage sowie die Sonntage von der Regelarbeitszeit“ ausnähmen.
Sonntagsarbeit nachteilig für Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben
Die von der Europäischen Kommission bei Deloitte Consulting in Auftrag gegebene Studie belege, dass nicht standardisierte Arbeitszeiten die sozialen Rhythmen durcheinanderbrächten, was zu vermehrtem Stress und zu Krankheiten bei den Beschäftigten führe. Nicht nachhaltige Arbeitszeitmuster stellten im Zusammenhang mit geringfügiger Beschäftigung eine wesentliche Quelle für das zunehmende Phänomen der Armut trotz Arbeit (working poor) in Europa dar.
Sonntagsarbeit wirke sich nachteilig auf das Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben aus (work-life-balance), betonte die „Allianz für den freien Sonntag Österreich“, eine der führenden nationalen Akteure, anlässlich der Gründung des Europäischen Netzwerks in Brüssel. Ein Ersatzruhetag während der Woche könne diese negativen Effekte nicht aufwiegen. Menschen, die an Sonntagen oder zu unregelmässigen Zeiten arbeiteten, täten dies aus finanzieller Notwendigkeit und nicht aus freier Wahl. Ein gemeinsamer wöchentlicher Ruhetag bilde den Bezugspunkt für die Zeitgliederung in Staat und Gesellschaft und einen kollektiven Zeitrhythmus in allen EU-Mitgliedsstaaten, was den sozialen Zusammenhalt stärke.
Reaktionen auf die Gründung der Europäischen Sonntagsallianz
Der römisch-katholische Linzer Altbischof und einstige Referatsbischof für Soziale Fragen in der Österreichischen Bischofskonferenz, Maximilian Aichern, zeigte sich im Vorfeld der Gründung der Europäischen Sonntagsallianz laut Kathpress in einer Stellungnahme für das Kommunikationsbüro der Diözese Linz erfreut: „Der freie Sonntag ist das älteste Sozialgesetz der christlich-jüdischen Zivilisation, begründet im Alten Bund (3. der 10 Gebote Gottes). Das gemeinsame Rasten, die sozialen Kontakte und das Lob Gottes sind bedeutsamste christliche Werte, die für die Menschenwürde wohl unabdingbar sind.“
"Der Kampf für den arbeitsfreien Sonntag in Europa muss auf allen Ebenen, ob national, regional oder lokal, geführt werden", sagte Hannes Kreller, Arbeitsexperte der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) in Deutschland. Mit der Gründung der Europäischen Sonntagsallianz sollten einerseits die Aktivitäten vernetzt und andererseits der Druck auf das EU-Parlament und die EU-Kommission erhöht werden, unterstrich die KAB.
Juden und auch die evangelische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten feiern nicht den Sonntag, sondern den Samstag (Sabbat) als biblischen Ruhetag. Zur Anfrage des APD, wie der European Jewish Congress (EJC) die Gründung der Europäischen Sonntagsallianz einschätze, gab es keine Stellungnahme.
Seitens der Siebenten-Tags-Adventisten nahm Pastor Raafat Kamal, Abteilungsleiter für Öffentliche Angelegenheiten und Religionsfreiheit der nordeuropäischen Freikirchenleitung mit Sitz in St. Albans bei London, zur Gründung der Sonntagsallianz folgendermassen Stellung: "Wir unterstützen die Auffassung, dass der Mensch einen Tag der Ruhe braucht, um ein Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben zu erreichen und damit die Gesundheit sowie Sicherheit der Arbeitnehmer zu erhalten. Uns ist aber auch wichtig, dass diejenigen, für die der Sonntag kein religiöser Ruhetag darstellt, mit ihrer Auffassung respektiert und toleriert werden. Ich hoffe, dass die Partner in der Europäischen Sonntagsallianz, die das Bewusstsein für den Wert gemeinsamer freier Sonntage in den europäischen Gesellschaften zu wecken versuchen, sowohl die Pluralität der Länder der Europäischen Union zu schätzen wissen, als auch die Notwendigkeit, jene mit einer anderen religiösen Überzeugung und Praktik, zu achten.“ Kamal vertraue darauf, dass die Lobby-Kampagne zum Schutz eines arbeitsfreien Sonntags nicht durch Eskalation zu Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen führen werde.