Mit dem Symposium „Heilung der Erinnerungen – Versöhnung in Christus“ in der Lutherstadt Wittenberg gedachten am 1. Oktober die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) und die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) an 15 Jahre eucharistische Gastfreundschaft beider Konfessionen sowie an die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes im Juli letzten Jahres in Stuttgart. Nach intensiven Lehrgesprächen hatten die VELKD und die AMG 1996 die gemeinsame Feier des Abendmahls vereinbart. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schloss sich der Vereinbarung an.
Mit theologischen Argumenten Luthers und Melanchthons, unter anderem gegen die Gläubigentaufe, wurde im 16. Jahrhundert die brutale Verfolgung der Täufer, der geistlichen Vorfahren der heutigen Mennoniten, welche die Kindertaufe ablehnten, gerechtfertigt. Obwohl das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner von 1530, das die Täufer auch wegen ihrer Ablehnung von Gewalt und Krieg verdammt, immer noch eine gültige Bekenntnisschrift ist, erklärte die VELKD 1992, dass die Verwerfung der Friedenskirche im Augsburger Bekenntnis die Mennoniten heute nicht in demselben Masse treffe wie die Täufer der Reformationszeit. Sie schlug daher die eucharistische Gastfreundschaft zwischen beiden Konfessionen vor. Als Zeichen der Versöhnung fanden 1996 zwei Abendmahlsgottesdienste in Hamburg und Regensburg, je nach einer lutherischen und mennonitischen Ordnung, statt, zu denen gegenseitig eingeladen wurde.
Auch auf Weltebene kam es zu einem Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund (LWB) und der Mennonitischen Weltkonferenz (MWC). Während der Vollversammlung des LWB 2010 in Stuttgart baten die lutherischen Kirchen ebenfalls „um Vergebung für das Leiden, das unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert den Täufern zugefügt haben“. Die Mennoniten antworteten: „Wir glauben, dass Gott Ihr Bekenntnis erhört und Ihrer Bitte um Vergebung entsprochen hat. Wir schliessen uns Gott freudig und demütig an, Ihnen zu vergeben.“ Zur eucharistischen Gastfreundschaft kam es allerdings zwischen den 145 Mitgliedskirchen des LWB und den 99 Mitgliedskirchen des MWC in Stuttgart nicht.
Beim Symposium in Wittenberg sprachen der mennonitische Pastor Rainer Burkart (Enkenbach/Pfalz) und Oberkirchenrat Michael Martin von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, welche beide an den Lehrgesprächen beteiligt waren, in sehr persönlicher Weise über „Blicke verändern sich und Beziehungen werden neu. – Vom Abenteuer eines Dialogs“. Beide Theologen lernten sich während der gemeinsamen Studienzeit an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern kennen. Burkart habe schon Bedenken gehabt als „unbekannter Mennonit“ an einer evangelischen Hochschule Theologie zu studieren. Dabei sei es um die Angst vor dem Verlust der eigenen konfessionellen Identität gegangen. Doch er habe das Gegenteil erlebt und in der Begegnung mit Michael Martin und anderen Lutheranern seine Identität als Mennonit neu gefunden. Auch bei Martin habe sich der konfessionelle Horizont durch die Begegnung mit Burkart erweitert. Er arbeitete später vier Jahre lang als lutherischer Aushilfspfarrer bei einer Mennonitengemeinde in München und lernte dadurch auch das weltweite Täufertum kennen. Beide kamen zu der Schlussfolgerung, dass der Dialog mit anderen Konfessionen zwar ein Abenteuer sei, zu dem es aber keine Alternative gebe.
Vor dem Symposium gab es Baumpflanzungen im Luthergarten Wittenberg. Dort sollen bis zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 insgesamt 500 Bäume von Kirchen aus aller Welt und unterschiedlicher Konfessionen gepflanzt werden. Pfarrer Dr. Larry Miller, Generalsekretär der Mennonitischen Weltkonferenz (MWC) wies darauf hin, dass zur Zeit der Reformation, aus der auch die Täufer hervorgegangen seien, nur wenige Christen ausserhalb Europas gelebt hätten. Heute sei das Christentum weltweit verbreitet, wie auch die Bäume im Luthergarten zeigten. Der Generalsekretär pflanzte den Rotahorn der MWC direkt neben den Baum des Lutherischen Weltbundes, der seit 2009 dort steht. Ausserdem pflanzten auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG), Frieder Boller (Ingolstadt), eine Traubenkirche und als Zeichen internationaler Verbundenheit die Indonesische Christliche Gemeinde Hamburg einen Trompetenbaum.
In seinem Grusswort wies der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, Eckhard Naumann (SPD), darauf hin, dass es in der Stadt nur 25 Prozent Christen, „vielleicht auch nur 15 Prozent“, gäbe. Dennoch habe die Stadt das Gelände an den Wallanlagen mit Blick auf die Stadt- und Schlosskirche gern für den Luthergarten zur Verfügung gestellt. Naumann rief die Kirchen auf, ihre Vielfalt als Wert zu erkennen, aber trotzdem das Gemeinsame zu betonen.
Das Symposium schloss mit einem gemeinsamen Abendmahlgottesdienst nach mennonitischer Agende in der Stadtkirche Wittenberg. Die Predigt hielt der Leitende Bischof der VELKD, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München). Die Liturgie übernahmen die stellvertretenden Vorsitzenden der AMG, Pfarrer Professor Dr. Fernando Enns (Hamburg) und Pastorin Doris Hege (Frankfurt/Main).
In Deutschland leben rund 40.000 mennonitische Christen, zu denen 5.700 in 54 Gemeinden zur AMG gehören. Weltweit gibt es etwa 1,6 Millionen Täufer in 80 Ländern. Der MCW umfasst davon über eine Million Gläubige.