Schutz der Religionsfreiheit konfessions- und religionsunabhängig

Friedensau bei Magdeburg/Deutschland | 01.05.2013 | APD | Religionsfreiheit

Bis in jüngster Zeit hätten viele Menschen damit gerechnet, dass im 21. Jahrhundert das Thema Religion zunehmend an Bedeutung verlieren werde, so Dr. jur. Harald Mueller, Leiter des Instituts für Religionsfreiheit der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg, in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Adventisten heute“. „Heute lässt sich sagen, dass das Gegenteil eingetreten ist.“ Zwar nehme in der westlichen Gesellschaft die Bindung an traditionelle Kirchen immer mehr ab. Gleichzeitig sei das Bedürfnis nach Spiritualität ungebrochen, die sich neue Formen der Erfüllung, losgelöst von überkommenen Zugehörigkeiten und Dogmen, suche. Globale Wanderungsbewegungen und die mediale Vernetzung führten dazu, dass Religionen, mit denen man sonst kaum in Berührung gekommen wäre, auf einmal sehr präsent seien und Einfluss auf unseren Alltag und auf die Politik unseres Landes ausüben würden. Dort, wo unterschiedliche Überzeugungen aufeinanderträfen, stelle sich stets die Frage der Religions- und Gewissensfreiheit: „Soll alles nebeneinander existieren können, oder muss der Staat nicht reglementierend eingreifen?“

Religionsfeindlicher Säkularismus
Die Siebenten-Tags-Adventisten hätten sich schon früh für diese Thematik interessiert. „So wurde bereits 1893 in Nordamerika von adventistischer Seite die International Religious Liberty Association gegründet, die bis heute existiert und sich weltweit für Religionsfreiheit einsetzt“, informierte Mueller. Während man früher vor allem eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat für wichtig gehalten habe, um die Religionsfreiheit zu schützen, sei mittlerweile erkannt worden, dass es nicht allein auf diesen Gesichtspunkt ankomme. „Auch ein strikter Säkularismus, der religionsfeindlich auftritt und alles Religiöse aus dem öffentlichen Leben verbannen und auf eine rein private Ebene verweisen will, kann eine Bedrohung für die Religionsfreiheit darstellen.“ In Deutschland gebe es aus historischen Gründen eine verfassungsrechtliche Regelung, wonach der Staat einerseits zu religiöser Neutralität verpflichtet sei, andererseits den Kirchen und Religionsgemeinschaften einen Öffentlichkeitsauftrag zubillige und mit ihnen auf verschiedenen Feldern zusammenarbeite. Auch die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten bewege sich in Deutschland innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen und sei als öffentlich-rechtliche Körperschaft den Volkskirchen zumindest juristisch gleichgestellt.

Islam bringt Bewegung in Gefüge von Kirche und Staat
Der Islam habe auch in Deutschland das traditionelle Gefüge zwischen Kirchen und Staat in Bewegung gebracht. Seine Anhänger forderten Teilhabe und Berücksichtigung ihrer Anliegen, was durchaus berechtigt sei. Aufgrund der gesellschaftlich bedeutsamen Anzahl der Muslime in Deutschland müsse der Staat in geeigneter Weise reagieren. Dies tue er seit einiger Zeit etwa mit der Einrichtung von Islam-Unterricht an öffentlichen Schulen, wobei versucht werde, islamistischen Tendenzen das Wasser abzugraben. Ausserdem sei der Staat mittlerweile, wie kürzlich in Hamburg, bereit, mit muslimischen Verbänden Rechtsbeziehungen auf der Grundlage eines Staatsvertrages einzugehen, um damit einen Beitrag zur Integration zu leisten. Dagegen sei im Prinzip nichts einzuwenden. Leider müsse aber festgestellt werden, dass diese Bereitschaft des Staates nicht in gleicher Weise gegenüber Freikirchen existiere; sicher deshalb, weil man deren gesellschaftliche Rolle als vernachlässigbar einstufe und sie daher für die Politik als weniger wichtig gelten würden. „Ob die Freikirchen mitunter selbst zu dieser Sichtweise beitragen?“, fragte Dr. Mueller.

Zunehmende Probleme bei Sabbatfreiheit
Der Artikel 4 des Grundgesetzes garantiere allen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Dennoch gebe es beispielsweise bei Adventisten immer wieder Probleme, weil sie etwa am biblischen Ruhetag, dem Sabbat (Samstag), arbeiten oder eine Prüfung ablegen sollten. In den Zeiten der weitverbreiteten Fünftagewoche seien derartige Probleme fast aus dem Blick geraten. „Es gibt sie aber nach wie vor, und sie scheinen zuzunehmen“, betonte der Jurist.

Leider gebe es beim Thema Sabbat keine obergerichtliche Leitentscheidung oder eine gesetzliche Regelung, die so beschaffen sei, „dass wir sie nur aus der Tasche ziehen brauchen, um Erfolg zu haben“. Manchmal müsse gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Doch es sei nicht unbedingt vorhersehbar, wie diese Prozesse ausgehen würden. Deshalb wäre es wichtig, soweit wie möglich im Gespräch und auf einer unteren Ebene mit den beteiligten Personen eine akzeptable Lösung zu finden. Denn auch ein Arbeitgeber oder eine Hochschule hätten verfassungsrechtlich geschützte Interessen, welche durch die Forderung nach dem arbeitsfreien Sabbat berührt würden, und gegen welche die Religionsfreiheit, falls es zu einem Gerichtsverfahren komme, abgewogen werden müsse.

Religionsfreiheit als unteilbares Menschenrecht
Harald Mueller plädierte dafür, sich für die Religionsfreiheit einzusetzen. Doch es gelte, dieses Menschenrecht nicht nur selbst in Anspruch zu nehmen, sondern auch anderen zu gewähren, ganz gleich, welchen Glauben sie hätten. Bewusst seien die adventistischen Organisationen zum Schutz der Religionsfreiheit, wie auch die Deutsche Vereinigung für Religionsfreiheit (www.dv-religionsfreiheit.org), nicht nur zur Verteidigung von Christen gegründet worden, sondern konfessions- und religionsunabhängig tätig.

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