Am 17. Februar veröffentlichte die im März 2013 eingesetzte dreiköpfige UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtssituation in Nordkorea ihren Bericht in Genf. Darin stellten die UN-Ermittler erstmals offiziell fest, dass Nordkorea „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an der eigenen Bevölkerung begehe. „Was wir gesehen und bisher gehört haben - die Genauigkeit, die Details und das Schockierende der persönlichen Zeugnisse - wird ohne Zweifel Folgemassnahmen seitens der Weltgemeinschaft erfordern sowie bezüglich der Verantwortlichkeit seitens der Demokratischen Volksrepublik Korea“, sagte Michael Kirby, Vorsitzender der UN-Untersuchungskommission für Nordkorea, an der Medienkonferenz bei der Vorstellung des einstimmig verabschiedeten Berichts.
Die Kommission habe keine richterliche Funktion gehabt, sondern die Aufgabe, das Material zu sammeln, zu analysieren und zusammen zu stellen und zu untersuchen inwiefern es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handle, was eine andere Kategorie sei als Menschenrechtsverletzungen. Schlussfolgerungen und Empfehlungen werde die Kommission am 17. März dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vortragen.
Da ihnen die Einreise nach Nordkorea verweigert worden sei, habe die Kommission 80 Zeugen in öffentlichen Hearings und 240 Personen hinter verschlossenen Türen in Seoul, Tokyo, London und Washington D.C. zur Situation in Nordkorea angehört, sagte der pensionierte australische Richter Michael Kirby.
„Hätten wir nur gewusst…!“
Die öffentlichen Hearings seien online gestellt worden, damit sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild machen könne. Nach dem Zweiten Weltkrieg, so der Vorsitzende, habe man oft die Aussage gehört: Hätten wir nur gewusst…! „Heute wissen wir, was Sache ist. Es gibt keine Entschuldigung, wenn dieser Bericht keine Folgen hat“, sagte Kirby. Mit dem 36-seitigen Bericht veröffentliche die Untersuchungskommission auch ein 372 Seiten umfassendes Dokument, welches Einblick in Einzelschicksale von Zeugen gebe.
Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) habe die UN-Kommission zahlreiche Beweise über eine „verhungernde Bevölkerung“ gesammelt. Ausserdem berichteten die Experten über Folter, Mord, systematische Vergewaltigung, Zwangsabtreibungen, Verschwindenlassen sowie Verfolgung aus politischen, ethnischen und religiösen Gründen.
Die zentrale Rolle von China
Ob sich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag damit befassen könne sei unwahrscheinlich, so Martin Lessenthin, IGFM-Vorstandssprecher. China habe als ständiges Ratsmitglied im Sicherheitsrat ein Vetorecht und könne damit eine Überweisung der Untersuchungen an den Internationalen Strafgerichtshof leicht verhindern, so Lessenthin. Die IGFM fordere die Internationale Gemeinschaft auf, unmissverständlich darauf zu drängen, dass China seine Verantwortung für die Menschen in Nordkorea wahrnehme: „Die Mitschuld der Pekinger Führung am Elend der Nordkoreaner muss offen beim Namen genannt werden.“
Es sei nicht in Chinas Interesse, dass es an seiner Grenze einen Staat habe, der die Menschenrechte in massiver Weise missachte, meinte Michael Kirby an der Medienkonferenz. Er sei zuversichtlich, dass China seine Meinung ändern werde, wenn es den Bericht gründlich lese.
Globaler Verfolgungsindex von Christen: Nordkorea seit zwölf Jahren an der Spitze
Nordkorea führt seit zwölf Jahren die Liste jener 50 Länder an, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Dies geht aus dem Weltverfolgungsindex 2014 der Menschenrechtsorganisation Open Doors (OD) hervor.
Die Machtübernahme durch Kim Jong-un im Dezember 2011 habe Hoffnung auf Veränderungen in Nordkorea geweckt, die sich 2013 aber zum grössten Teil zerschlagen hätten, so der Weltverfolgungsindex 2014. Auch wenn Christen nicht ausdrücklich Zielscheibe von Repressionen seien, erschwerten die verstärkten Grenzkontrollen zu China und die Hausdurchsuchungen der vergangenen Monate die Ausübung des Glaubens für Christen oder verunmöglichten ihn, auch wenn sie diesen im Untergrund praktizierten.
Download des 36-seitigen Untersuchungsberichts (Englisch) zu Nordkorea und das 372-seitige Dokuments mit Einzelberichten unter:
http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/CoIDPRK/Pages/ReportoftheCommissionofInquiryDPRK.aspx
Link zu den ausführlichen Videoauszeichnungen der öffentlichen Hearings:
http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/CoIDPRK/Pages/PublicHearings.aspx