Jean-Luc Schneider, Stammapostel der Neuapostolischen Kirche © Foto: NAK

Internationaler Kirchentag der Neuapostolischen Kirche in München

München/Deutschland | 09.06.2014 | APD | International

Unter dem Motto „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ fand vom 6. bis 8. Juni im Olympiapark München der erste internationale Kirchentag in der 150-jährigen Geschichte der Neuapostolischen Kirche (NAK) statt. Im Abschlussgottesdienst am Pfingstsonntag im Olympiastadion der bayerischen Landeshauptstadt rief das Kirchenoberhaupt, Stammapostel Jean-Luc Schneider (Zürich), die anwesenden 50.000 Gläubigen auf, noch stärker in der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu wirken. Unter Berufung auf das Wort Jesu „Geben ist seliger als nehmen“ (Apostelgeschichte 20,35) betonte er, die Liebe sei unerlässlich, um sich auf die Wiederkunft Jesu, das Glaubensziel der neuapostolischen Christen vorzubereiten. Wo die Liebe Gottes tätig werde, sei man getrieben, zu geben, ohne die Erwartung einer Rückerstattung. „Konsumverhalten hat in der Kirche keinen Platz.“ Es sei falsch, bei jedem Ereignis auf das Ergebnis zu schauen und zu erwarten, dass etwas zurückkomme.

Nach der Wortverkündigung des Stammapostels folgte die Feier des Abendmahls, an dem auch getaufte Christen anderer Konfessionen teilnehmen durften. Nach neuapostolischem Verständnis handelt es sich beim Heiligen Abendmahl um ein Bekenntnis zum gestorbenen, auferstandenen und wiederkommenden Gottessohn Jesus Christus. Der Gottesdienst wurde per Satellit in über 100 Länder übertragen und simultan in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Olympiahalle München © Foto: NAK

Fragen an das Kirchenoberhaupt
Am Tag zuvor beantwortete Stammapostel Schneider in einem Podiumsgespräch vor etwa 12.500 Zuhörern in der Olympiahalle aktuelle Fragen. Zum Thema, ob ein Christ Soldat sein dürfe, antwortete das Kirchenoberhaupt, es gebe Situationen, da sei es sogar Pflicht, das Leben zu schützen. Auch wenn Töten Sünde bleibe, gebe es unterschiedliche Grade der Schuld. Das hänge von den jeweiligen Beweggründen ab, die nur Gott allein beurteilen könne. Zur Frage, ob die Kirche nicht gesellschaftlich stärker Position beziehen müsse, meinte Schneider: „Nicht zu jedem Thema haben wir die Kompetenz, etwas Gescheites zu sagen.“ Ausserdem sollten die Gläubigen bestimmte Dinge für sich selbst entscheiden. Nach der Bewertung von Homosexualität gefragt, verwies der Stammapostel auf das Gebot, den Nächsten zu lieben, und zwar, „so wie er ist“. Alle neuapostolischen Christen sollten sich in ihrer Kirche wohlfühlen können. Die Frage nach der Ordination von Frauen bezeichnete Schneider als zu früh gestellt. Zunächst müsse das Amtsverständnis klar definiert werden. Erst wenn darüber Einigung erzielt worden sei, könne man darüber reden, wer ein Amt ausüben dürfe. Dabei ginge es nicht nur um theologische Fragen, sondern auch um gesellschaftliche: „Was akzeptiert die Ortsgemeinde? Was geht regional?“

Über 250 Veranstaltungen
Auf dem Gelände des Olympiaparks informierten die neuapostolischen Gebietskirchen aus Europa, Australien, Südafrika, Nord- und Lateinamerika sowie Südostasien über ihre Arbeit. Hilfswerke, wie „NAK-karitativ“ und „NAK-Humanitas“, stellten Sozialprojekte vor. Es gab den Treffpunkt Kinderprojekte und den Ausstellungstand über Möglichkeiten mit Psychologie und Musiktherapie in familiären Konfliktsituationen. Bei der Ausstellung in der „Event-Arena“ ging es um den Jenseitsglauben der fünf Weltreligionen. Es fehlte auch die Single-Kontaktbörse „Don‘t Walk Alone – Meet Friends“ und die private Interessengemeinschaft homo- bi- und transsexueller Christen „Regenbogen-NAK“ nicht. Im Freigelände war auch ein Nachbau der „Stiftshütte“, das alttestamentliche Heiligtum des Volkes Israel, zu finden. Im Ausstellungszelt vor der „Werner-von Linde-Halle“ ging es um den Schutz ungeborenen Lebens, künstliche Befruchtung und Schwangerschaftsabbruch, Prävention vor sexuellen Übergriffen sowie Trauerbegleitung. Für die Motorradfahrer der NAK gab es einen Bikerpoint.

Das Programm bot über 250 verschiedene Veranstaltungen. Bei Vorträgen ging es unter anderem um Welt- und Gottesbild im Wandel, Biotechnologie oder Leben im Regenwald Kameruns. Workshops befassten sich mit „Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen – auch bei uns?“, „Ungewollt schwanger – was nun?“, „Konflikte auf Augenhöhe durch Mediation lösen“ und Verantwortung für die Schöpfung. Podiumsgespräche gab es beispielsweise zu den Themen „Psychotherapie und Glaube, ein Spannungsfeld?“, „Trauerbegleitung im Rahmen unserer Kirche“ oder „Leben mit Behinderung – na und?“. Das reichhaltige Musikprogramm umfasste Chor-, Orchester- und Orgelkonzerte, Big-Band-Musik, Gospelgesang sowie die indonesische Angklung-Gruppe mit Bambusstäben, Klangschalen und Glocken.

Neuer Katechismus und andere Konfessionen
Zu Beginn des Kirchentages überbrachte die Geschäftsführerin der Ökumenischen Centrale, Dr. Elisabeth Dieckmann (Frankfurt am Main), in ihrem Grusswort „die guten Wünsche“ der Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland. Bei einem Podiumsgespräch mit Vertretern anderer Konfessionen ging es am Samstag in der Olympiahalle um das Thema „Ein Jahr NAK-Katechismus – wie hat sich sein Erscheinen auf die ökumenischen Gespräche ausgewirkt?“ Dabei betonte Apostel Volker Kühnle von der Arbeitsgruppe „Kontakte zu Konfessionen und Religionen“ der NAK, dass Ziel des Katechismus nicht sei, die Ausgangslage für eine Annäherung an die anderen Kirchen zu verbessern. Vielmehr gehe es darum, die Grundlagen des neuapostolischen Glaubens zu dokumentieren, bündeln und festigen. „Wer glaubt, durch ökumenische Gespräche würde unsere Kirche ihre Identität verlieren, der hat den Katechismus nicht gelesen.“

Der emeritierte Professor Dr. Helmut Obst (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) räumte ein, dass er heute nicht mehr die Neuapostolische Kirche als „exklusive Endzeitkirche“ bezeichnen würde. Sein Wunsch sei, dass die NAK auch die anderen Christen als „Gotteskinder“ ansehe, denn sonst könne man nicht gemeinsam das „Vaterunser“ beten. Der 2012 herausgegebene Katechismus habe anderen Konfessionen neue Impulse bei der Beschäftigung mit der NAK gegeben, erläuterte Dr. Reinhard Hempelmann, Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin. Teilweise könne das Lehrwerk auch anderen Kirchen Impulse für deren Glaubensauffassung vermitteln, etwa im Blick auf die neuapostolische Eschatologie, der Lehre von den Letzten Dingen, ergänzte Pfarrerin Dr. Maria Stettner, München, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Bayern. Es herrsche noch eine gewisse Zurückhaltung, waren sich die evangelischen und der römisch-katholische Vertreter einig. Man warte ab, wie sehr die theologischen Gedanken des Katechismus auch in den Ortsgemeinden gelebt würden, erläuterte Dr. Burkhard Neumann, Direktor des katholischen Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik, Paderborn. Es brauche Zeit, um sich von lange gültigen Bewertungen zu lösen.

Die Neuapostolische Kirche wurde am 9. April 2014 als Gastmitglied in die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) der Schweiz aufgenommen. In Österreich hat sie seit 2012 einen Gaststatus im Ökumenischen Jugendrat. Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) gab im April 2014 eine Orientierungshilfe für örtliche Kirchengemeinden über die NAK heraus. Sie geht auf einen Text zurück, den die ACK Baden-Württemberg bereits 2008 veröffentlichte. Obwohl es schon seit einiger Zeit Gespräche zwischen Vertretern der NAK und der ACK gibt, kam es bisher in Deutschland noch nicht zu einer Gastmitgliedschaft in der ACK auf Bundesebene oder in ACKs auf Bundesländerebene. Anders sieht es dagegen auf Ortsebene aus. Seit 2014 ist die NAK Vollmitglied in der ACK Hannover. Seit wenigen Jahren gibt es auch Gastmitgliedschaften in den ACKs Memmingen (2006), Aschaffenburg (2007), Hameln (2008), Göttingen (2009), Halle/Saale (2009), Ludwigsburg (2010), Leonberg (2012), Bruchsal (2012), Mönchengladbach (2014), Pforzheim-Brötzingen (2014) und Leinfelden-Echterdingen (2014). Einen Beobachterstatus gibt es in Marburg (2008), Freiberg/Sachsen (2009), Friedberg/Wetterau (2009) und Nagold (2011).

Eine weltweite Glaubensgemeinschaft
Zur Neuapostolischen Kirche gehören weltweit rund zehn Millionen Mitglieder in mehr als 61.300 Gemeinden. Davon leben 7,9 Millionen Gläubige in Afrika, 1,1 Millionen in Asien, 458.000 in Europa, 361.000 in Nord- und Lateinamerika sowie 115.000 in Australien/Ozeanien. In Deutschland gibt es 350.000 neuapostolische Christen in 18.679 Kirchengemeinden, in der Schweiz sind es 33.800 (168 Gemeinden) und in Österreich rund 5.000 (52 Gemeinden). In Österreich ist die NAK eine gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft und in Deutschland eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. In der Schweiz hat die NAK, wie fast alle anderen Konfessionen und Religionen, keinen besonderen rechtlichen Status.

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