Buchrezension: Im Zweifel für Gott – Wie wir an Gott dranbleiben, wenn der Glaube nicht trägt, Malte Detje, SCM R. Brockhaus, fontis, Holzgerlingen; 2020, 208 Seiten, fester Einband, 17,00 € / 23,90 CHF; ISBN/GTIN 978-3-417-26947-5.
Malte Detje, der Autor des Buches «Im Zweifel für Gott», ist evangelisch-lutherischer Pastor in Hamburg. Er stellt sich Fragen und Erfahrungen, die irgendwann Teil des Überlegens und Empfindens vieler Christen auf ihrem Weg mit Gott und der Kirche sind. Glaube, Gottesbild und eigenes Christsein erleben sie zunehmend als nicht mehr stimmig. Die Diskrepanz zwischen dem, wie man das Christsein versteht und dem, wie man die Realität des Glaubenslebens, aber auch den Umgang mit anderen Christen erlebt, können zu Enttäuschung, Frustration und Überforderung führen. Der Gedanke, den Glauben aufzugeben, wächst, weil der Glaube nicht mehr als Befreiung, sondern als Last empfunden wird. Versprechungen in der Bibel haben sich im eigenen Leben als Versprecher erwiesen. Diese Bilanz hat dann meist auch den Kirchenaustritt zur Folge.
Malte Detje richtet sich mit seinem Buch an Christen, die (noch) mit Gott unterwegs sind, die mit Gefühlen der Frustration sowie Zweifeln ringen und sich fragen, ob sich das Christsein noch lohnt. Er möchte aber auch jene erreichen, die als ehemalige Christen nachvollziehen können, wovon er schreibt. Detje verklärt dabei nichts, ist offen, selbstkritisch, teils humorvoll und schnörkellos. Er versucht als Theologe und Seelsorger das Evangelium als frohmachende Botschaft zu vermitteln. Dabei geht er vom lutherischen Rechtfertigungverständnis aus und verliert nie den Praxisbezug.
Detje hat aufgrund seiner Tätigkeit in der Begegnung mit Christen und Ex-Christen sechs Bereiche identifiziert, die tiefsitzenden Frust und Zweifel an Gott generieren können:
Gefühl – Wenn ich Gottes Gegenwart nicht spüre
Christen gehe es manchmal in ihrer Beziehung mit Gott wie alten Ehepaaren, die sich langsam entfremdet und auseinandergelebt haben. Aus dem ersten Feuer sei Asche geworden. Die Gefühle zu Gott seien erkaltet. Durchhalteparolen und gutgemeinte Tipps, was man dagegen tun könne, verstärkten nur den Schmerz. Emotionen seien aber nicht das Fundament des Christentums, sondern Gottes unwandelbare Liebe zu den Menschen. Der subjektive Blick auf sich selbst und die eigenen Gefühle sei trügerisch. Der Blickwechsel nach aussen, auf die «objektiv feststehenden Tatsachen», wie sich zum Bespiel Gottes Liebe in Jesus am Kreuz manifestiert habe, könne einen Perspektivenwechsel und damit auch positivere Gefühle bewirken. Glaube sei aber kein geistliches Hochgefühl: «Glauben bedeutet, schlicht Jesus zu vertrauen, gerade weil du deinem Herzen mit seiner Gefühlswelt nicht vertrauen kannst.»
Lobpreis –Wenn mein Singen leer wird
Im zweiten Bereich wird unter anderem der christliche Gottesdienst heidnischen Opferriten gegenübergestellt, in denen die Götter mit Opfern besänftigt wurden. Der Gottesdienst sei der Ort, an dem Gott dem Menschen diene. Und er diene mit dem Wort, um den Menschen Vergebung, Gnade und Leben zuzusprechen. Dieses Wort von «aussen» sei objektiv und wirke befreiend. Es stehe vor dem subjektiven «inneren» Wort, das von Selbstzweifel und Ungewissheit geprägt sein könne.
Bibel – Wenn Gottes Wort mir Angst macht
In diesem Kapitel erläutert Detje das Konzept von «Gesetz und Evangelium». Das richtige Verständnis davon öffne das Verständnis für die Heilige Schrift, weil es zwei Arten unterscheide, wie Gott rede. Laut Luther ist diese Unterscheidung «die höchste Kunst in der Christenheit», um die alle Christen wissen sollten. In Gegensatzpaaren erläutert der Autor den Unterschied, wie: «Das Gesetz fordert. Das Evangelium schenkt»; «Das Gesezt sagt: ‘Tu dies!’ Das Evangelium sagt: ‘Es ist bereits getan!’»; «Das Gesetz ist die Diagnose, das Evangelium die Medizin.»
In einem Abschnitt behandelt Malte Detje auch die Vermischung von Gesetz und Evangelium, die Gesetzlichkeit. Sie sei die «eigentliche Ursache für so vielen geistlichen Frust, den wir im Umgang mit der Bibel erleben».
Wären sich mehr Christen dieses für das Bibelverständnis zentralen Unterschieds bewusst, gäbe es meines Erachtens weniger griesgrämige oder freudlose Christen. Dieses Kapitel über Gesetz und Evangelium ist nicht nur das längste, sondern auch das zentralste. Es ist augenöffnend und befreiend.
Veränderung – Wenn Sünde Teil meines Lebens bleibt
Im vierten Kapitel geht Detje Enttäuschungen im Christenleben an, die entstehen, weil falsche Erwartungen ans Christsein gestellt werden, die an der Lebensrealität scheitern. Er ist dabei sehr ehrlich und direkt und spricht den Kontrast der christlichen Existenz offen an: Der Christ ist gleichzeitig Gerechter und Sünder. «Beides gilt zu 100 Prozent.» Diese Realität beschreibt er so: «Die Sünde ist stärker als du es bist, aber Jesus ist stärker als deine Sünde.»
Martin Luther sei am spätmittelalterlichen Konzept der eingegossenen Gnade fast verzweifelt. Gnade wurde als Substanz verstanden, die den Menschen von innen heraus verändern und besser machen solle. Luther war so ehrlich und musste beim Blick auf sein Leben feststellen, dass dem nicht so war. Dann erschloss sich ihm das reformatorische Verständnis der zugerechneten Gnade, wonach der Mensch in einen neuen Status vor Gott kommt, «als sein geliebtes Kind». Die Klärung des Unterschieds zwischen eigegossener und zugerechneter Gnade, die Malte Detje ausführt, scheint mir elementar fürs Christsein, um nicht frustriert aufzugeben.
Gemeinde – Wenn Kirche nicht mehr mein Zuhause ist
Im fünften Kapitel thematisiert der Autor die Tatsache, dass die Gemeinde manchmal auch ein Ort von Verletzungen und Enttäuschungen sein kann. «Es gibt Formen von Kirche, die krank machen. Gemeindekulturen können Gift für die Seele sein.» An der unrühmlichen Begebenheit von Noahs Trunkenheit führt er aus, dass die Kirche ein «Zufluchtsort für gescheiterte Glaubenshelden» ist und wie miteinander heilsam umgegangen werden kann.
Berufung – Wenn ich Gottes Plan nicht erkenne
Im letzten Kapitel setzt der Pastor ein Fragezeichen hinter die Vorstellung, dass Gott für jeden Menschen einen Plan habe, den man entdecken und sein Leben danach ausrichten solle. Die vermeintlichen Pläne Gottes für unser Leben seien oft nur fromm angestrichene Selbstverwirklichungsprojekte. Das reformatorische Konzept der Berufung sehe diese in allen Bereichen des Lebens, in Arbeit und Familie, Nachbarschaft und Kirche. Die Berufung drücke sich weniger durch ein inneres Gefühl aus, etwas Bestimmtes zu tun, als ganz praktisch und konkret in dem, welches meine «täglichen Aufgaben sind». Christen seien berufen, den Mitmenschen zu dienen: «Jetzt ist das Badezimmer zu putzen.» Gott brauche unsere guten Werke nicht, aber «unser Nächster braucht sie».
Der Autor hat seine Ausführungen mit vielen Begebenheiten aus dem Alltag illustriert, was die Thematik anschaulich und leicht nachvollziehbar macht. Obwohl das Buch zentrale theologische Konzepte vermittelt, kommen sie nicht trocken oder abstrakt daher. Sie sind im Alltag eingebettet und gut verständlich beschrieben.
Ich empfehle das Buch allen, die mit Gott unterwegs sind, weil es das Verständnis für das Evangelium erweitert, vertieft und es entlastend wirkt. Lesenswert ist es auch für Menschen, die ihre Geschichte mit Gott abgebrochen haben. Vielleicht hilft es ihnen bei der Verarbeitung jener Zeit und ermöglicht einen Perspektivenwechsel auf das Christsein. Personen, die am Anfang ihres Christenlebens stehen, werden es wahrscheinlich eher aus einer theoretischen Perspektive lesen, aber es kann durchaus hilfreich sein, die Gewichte von Anfang an richtig zu setzen. «Im Zweifel für Gott» hat in meiner Bibliothek einen besonderen Platz.
Herbert Bodenmann
Das Buch kann beim Advent-Verlag Schweiz bestellt werden, jeweils morgens: Telefon: 033 511 11 99 oder info@advent-verlag.ch | https://www.advent-verlag.ch/
(7823 Zeichen)