Auf den europaweit gestiegenen Zulauf von Parteien mit nationalistischen Programmen reagierte am 18. Februar die römisch-katholische Kirche mit einer konzertierten Aktion "Gegen Nationalismus und Ausgrenzung" von "Justitia et Pax Europa", Zusammenschluss der 31 nationalen, europäischen "Justitia et Pax"-Kommissionen. Neben Politikern sollen laut der Stellungnahme auch Medien in ihrer Verantwortung im Umgang mit einer immer stärker werdenden nationalistischen und fremdenfeindlichen Rhetorik in die Pflicht genommen werden. Darüber hinaus wird in dem Dokument eine "konsequente europäische Migrationspolitik, die Verantwortung übernimmt", angemahnt.
"Simple Parolen, Stimmungsmache auf Kosten von Einwanderern und gegen die EU verfangen bei vielen Menschen, die sich um ihre Zukunft Sorgen machen, aber sie sind keine Antwort auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit", sagte der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich, Präsident von "Justitia et Pax Europa", zum Auftakt der europaweiten Initiative. Beim Thema Migration gebe es keine einfachen Lösungen. Schlicht und einfach seien hingegen die Ziele nationalistisch agierender Parteien und Bewegungen, denen es dabei nur um politische und wirtschaftliche Macht gehe. "Den Armen, den Schwachen und wirklich Benachteiligten dienen sie nicht."
Deutliche Worte findet der Europaverbund der kirchlichen Menschenrechtskommissionen für den grassierenden Verbalradikalismus: "Die häufig rassistische oder fremdenfeindliche Ausdrucksweise erinnert unweigerlich an die aggressive und ultranationalistische Politik, die beiden Weltkriegen vorausging." Ein "Nationalismus der Ausgrenzung" stehe im Widerspruch zum Wert der Menschenwürde und "stellt letztendlich eine Bedrohung dar für den sozialen Zusammenhalt auf lokaler Ebene und für den Frieden unter den Staaten Europas". Von daher werden zivilgesellschaftliche Organisationen und Kirchen aufgerufen, "jegliche nationalistisch geprägte Rhetorik privat und öffentlich anzuprangern und infrage zu stellen".
In neun Punkten nimmt "Justitia et Pax Europa" Stellung zu Nationalismus und Ausgrenzung:
1. Die Forderung von politischen Parteien nach mehr Autonomie einer Nation oder innerhalb einer Nation könne ein legitimes Ziel sein, solange es mit gewaltfreien Mitteln verfolgt und nicht mit Hassreden agiert werde.
2. Gemäss der römisch-katholischen Soziallehre seien alle Menschen gleich, deshalb müssten auch die Rechte von Minderheiten in Nationalstaaten geachtet werden.
3. Die zunehmende Tendenz, „Popularität und Macht mit undifferenzierten politischen Programmen und Wahlslogans gewinnen zu wollen“, sei beunruhigend. Sie gründeten auf der Auffassung, „Wohlstand und Sicherheit könnten nur durch unilaterale, nationale Massnahmen erzielt werden und, falls nötig, zum Nachteil anderer Menschen“. Die Verbreitung solcher Wahlslogans über die Medien könne die politische Agenda eines Landes in eine nationalistische Richtung lenken.
4. Die häufig rassistische oder fremdenfeindliche Ausdrucksweise erinnere unweigerlich an die aggressive und ultranationalistische Politik, die beiden Weltkriegen vorausgegangen sei.
5. Der „Nationalismus der Ausgrenzung“ stehe im Widerspruch zum Wert der Menschenwürde und habe nichts mit Gerechtigkeit zu tun, weil er Grundrechte nur eingeschränkt zuerkenne, je nach nationaler, ethnischer oder religiöser Herkunft. Dies widerspreche der Schöpfungsintension Gottes, der den Menschen als Mann und Frau, nach seinem Bild geschaffen habe.
6. Indem nationalistische Politiker in ihrem Machtstreben einfache Lösungen für komplexe Lebenswirklichkeiten anbieten würden, spielten sie mit den Ängsten der Menschen. Es ginge dabei auch vergessen, dass Lösungen, die auf Ungerechtigkeit oder Unterdrückung eines Teils der Gesellschaft beruhten, nie eine friedliche Gemeinschaft hervorbringen könnten.
7. Das Thema Migration sei ein Paradebeispiel, wie zunehmend Realitäten ignoriert würden. Nebst historischen Gründen gebe es auch demographische Zwänge, politische und/oder religiöse Konflikte und neuerdings auch den Klimawandel als Gründe für die Migration. Es gehe darum, auf internationaler Ebene Lösungen zu entwickeln, wie Not leidende Flüchtlinge aufgenommen werden könnten, aber auch wie Konflikte friedlich beigelegt und Krisenstaaten wieder aufgebaut werden könnten.
8. Parteien, die den Austritt aus der EU als beste Lösung anpriesen, hätten nur vage Antworten, „wie sie sich die Zukunft ihres Landes in der heutigen Produktions-, Handels- und Konsumkette vorstellen“ würden, die definitiv und unwiderruflich global sei. Die Europäische Union sei nicht perfekt, aber sie bleibe ein Instrument zur Friedenserhaltung und Konfliktlösung auf unserem Kontinent.
9. Die Achtung der Menschenwürde sowie die Einhaltung der Menschenrechte seien zentral, um dem Nationalismus und der Ausgrenzung entgegenzuwirken. Rassistische und fremdenfeindliche Gewalt, in Wort und Tat, müsse verurteilt und sanktioniert sowie Unwahrheiten und Beschuldigungen mit Mut öffentlich entgegengetreten werden.
Die Stellungnahme von „Justitia et Pax Europa" schliesst mit einem Aufruf an Politiker, Bürger, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Kirchen Europas im Sinne des Dokuments zu handeln.
Die Stellungnahme von „Justitia et Pax Europa" im Wortlaut:
http://www.iupax.at/images/Dokumente/Stellungnahmen/CA_2015_Nationalismus.pdf