Den mit 5.000 Euro dotierten Sonderpreis des „Berliner Gesundheitspreises 2015“ erhielt am 17. Juni das Krankenhaus „Waldfriede“, eine Einrichtung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Berlin-Zehlendorf. Ausgezeichnet wurde damit das Projekt „Angstfreies Krankenhaus“ der 160-Betten-Klinik. Der Gesundheitspreis ist ein bundesweiter Ideenwettbewerb von AOK-Bundesverband, Ärztekammer Berlin und AOK Nordost. Er wird seit 1995 alle zwei Jahre ausgeschrieben.
„Waldfriede“ lässt Patienten mit ihren Sorgen nicht allein
„Angst kann den Erfolg einer medizinischen Behandlung gefährden“, betonte Karl-Josef Laumann, Patientenbeauftragter der Bundesregierung und Jurymitglied beim Berliner Gesundheitspreis 2015. „Umso wichtiger ist es, der Angst den Nährboden zu entziehen.“ Das Krankenhaus „Waldfriede“ leiste hier eine „tolle Arbeit“. Es kläre die Patienten auf und vermittle ihnen das gute Gefühl, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind.
„Bei unserer täglichen Arbeit machen wir immer wieder die Erfahrung, dass Patienten vor einer Operation unter verschiedenen Ängsten leiden“, so der Leiter der Arbeitsgruppe „Angstfreies Krankenhaus“ in „Waldfriede“, Dr. Michael Volland. Neben der Angst vor der Narkose, vor Schmerzen oder vor Komplikationen sorgten sich Patienten vor schwerwiegenden Diagnosen, vor dem Eingriff in die Intimsphäre oder dem Verlust von Selbständigkeit. Um diesen und anderen Ängsten bereits im Vorfeld einer Operation zu begegnen, habe das Krankenhaus ein interdisziplinäres Konzept entwickelt, an dem Ärzte, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Seelsorger und ein Psychotherapeut beteiligt seien.
„In allen operativen Abteilungen, wie Allgemeinchirurgie, Koloproktologie, Hand- und Fusschirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Brustzentrum, unterbreiten wir unseren Patienten im Vorfeld von Eingriffen ein interdisziplinäres Angebot zum Abbau von Sorgen und Ängsten“, informierte der Chirurg und Oberarzt. Bei dem Projekt werde die Zeit vor der Operation in den Fokus gerückt, betonte Dr. Volland. „Deshalb thematisieren unsere Ärzte das Thema Angst bereits beim Erstkontakt“. Die Anästhesie biete Angstsprechstunden an, bei denen sich der künftige Patient über die Narkose eingehend informieren könne. Zudem gebe es eine individuelle Patientenberatung. Angeboten würden der Besuch der Intensivstation oder eines Operationssaales, um kennenzulernen, was dort geschehe. Manche Patienten seien in Sorge um ihre Angehörigen oder Haustiere während ihres Krankenhausaufenthaltes. Hier könne der frühzeitige Kontakt zum Sozialdienst zu Lösungen führen und Ängste abbauen.
Männer tabuisieren ihre Ängste
„Nach einer erfolgreichen Testphase konnte im Februar 2013 mit dem ‚Angstfreien Krankenhaus‘ dauerhaft ein ganzheitlich orientiertes und fachübergreifendes Leistungsangebot für Patienten etabliert werden“, erläuterte Bernd Quoss, Geschäftsführer von „Waldfriede“. „Als christliches Krankenhaus ist es uns ein besonderes Bedürfnis, unsere Patienten nicht nur medizinisch bestmöglich zu versorgen, sondern auch bei Ängsten und anderen seelischen Nöten zu helfen.“ Die personellen Ressourcen für das „Angstfreie Krankenhaus würden im Rahmen bereits bestehender Strukturen realisiert. Die ungebrochene Nachfrage der Patienten, die konsequente Auswertung und die hohe Eigenmotivation der am Projekt Mitarbeitenden erwiesen sich als wichtiger Motor für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Angebots. Geschlechterunterschiede bei der Inanspruchnahme seien dabei zu berücksichtigen, da Männer ihre Ängste zu tabuisieren scheinen. Das „Angstfreie Krankenhaus“ trage zur Bewältigung von Ängsten bei und unterstütze so den späteren Behandlungs- und Heilungsverlauf.
Krankenhaus mit ganzheitlichem Konzept
„Waldfriede“ erhielt für sein Projekt „Angstfreies Krankenhaus“ bereits im August 2014 die „Best Practice“ Auszeichnung der Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ). In dem akademischen Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin Berlin werden jährlich etwa 13.000 Patienten stationär und 48.000 ambulant behandelt. Neben elf Fachabteilungen gehören zu „Waldfriede“ ein ambulanter häuslicher Pflegedienst (Sozialstation), eine Kurzzeitpflege, die Akademie für Gesundheits- und Krankenpflege, das Projekt „Babywiege“ für Mütter in Not sowie eine Kindertagesstätte. Schon 1993 entstand das Gesundheitszentrum „PrimaVita“ mit präventiv-medizinischem und gesundheitsförderndem Auftrag als erste krankenhauseigene Einrichtung ihrer Art in Deutschland.
Bundesgesundheitsminister: Ständiges Neu- und Umdenken erforderlich
In seiner Laudatio würdigte der Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe (CDU), das 20-jährige Bestehen des „Berliner Gesundheitspreises“: Die zwanzig Jahre „stehen für mehr als 60 Preisträger und zahlreiche gute Bewerbungen, deren Ideen zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beitragen“. Es seien die Fortschritte in der medizinischen Forschung, die ein ständiges Neu- und Umdenken in der gesundheitlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten forderten. Neue erfolgsversprechende Therapieansätze müssten ihren Weg in die Regelversorgung finden. Gleichzeitig müsse das Zusammenspiel aller am Behandlungsprozess Beteiligten immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden.
Zusammenspiel als Chance
Unter dem Motto „Zusammenspiel als Chance“ galt es beim Berliner Gesundheitspreis 2015 Beispiele einer guten und effektiven Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachgebieten und einzelnen Berufsgruppen im Krankenhaus zu finden. Den mit 25.000 Euro dotierten ersten Preis erhielt „Das Weddinger Modell“ der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwigs-Krankenhaus Berlin. Zweiter Preisträger (20.000 Euro) wurde das „Netzwerk zur Betreuung von Diabetikern im Landkreis Märkisch-Oderland“ am Krankenhaus in Strausberg östlich von Berlin. Eine „Lobende Erwähnung“ gab es für den „Interdisziplinären Kinderschutz in der Charité Berlin“.