Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, hat die Bedeutung der Beratung von Kriegsdienstverweigerern betont. Anlass dazu war ein Festakt in Bonn zum 60-jährigen Bestehen der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK).
Verständnis für Soldaten in Gewissensnot gefordert
„Das Gewissen zu beraten und zu schärfen, gehört zu den elementaren friedensethischen Aufgaben der Kirche“, betonte Brahms unter Verweis auf die EKD-Friedensdenkschrift von 2007. Auch wenn die Zahl der Verweigerer derzeit gering sei, wäre es wichtig, dass Menschen, die von diesem Recht Gebrauch machen würden, eine professionelle Unterstützung erhielten. „Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung im soldatischen Dienst ist ein Prüfstein für eine Parlamentsarmee in einer Demokratie“, gab der EKD-Friedensbeauftragte zu bedenken.
Brahms kritisierte, dass viele Soldatinnen und Soldaten, die den Kriegsdienst verweigern, vor den Verwaltungsgerichten landen würden. Es sei eine neue Aufgabe der EAK, diese Prozesse zu beobachten und die Durchsetzbarkeit des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung zu dokumentieren. Doch auch die Streitkräfte sieht der EKD-Friedensbeauftragte gefordert. „Hier ist es wichtig, dass auch in der Bundeswehr Verständnis für die Situation von Soldatinnen und Soldaten in Gewissensnot besteht“, mahne Renke Brahms und betonte dabei die Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer in der evangelischen Militärseelsorge. „Ihnen kommt hier eine wichtige Aufgabe zu.“
Soldaten per se keine Mörder aber potenzielle Kriegsteilnehmer
Der EKD-Friedensbeauftragte warnte aber auch davor, den Dienst in der Bundeswehr zu beschönigen oder zu verharmlosen. „Soldatinnen und Soldaten sind nicht per se Mörderinnen und Mörder, aber Soldatinnen und Soldaten sind per se potenzielle Kriegsteilnehmer.“ Das müsse auch bei der Nachwuchswerbung deutlich werden, betonte er mit Blick auf den „Tag der Bundeswehr“ am 11. Juni in Bonn.
Kriegsdienstverweigerung auch heute hochaktuell
Das Thema Kriegsdienstverweigerung sei auch nach Aussetzung der Wehrpflicht hochaktuell, betonte Dr. Christoph Münchow, Bundesvorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK), bei der Pressekonferenz aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des evangelischen Friedensverbandes. „Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“, unterstrich Münchow. Und er fügte hinzu: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Dienst mit der Waffe gezwungen werden. Dies ist in jedem Land der Erde zu achten und zu respektieren.“
Kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung in vielen Staaten
Leider gebe es aber nach wie vor viele Staaten, nicht zuletzt auch in der Europäischen Union, in denen eine Kriegsdienstverweigerung nicht möglich wäre und in denen Menschen, die ihrem Gewissen folgten, mit sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung oder sogar mit Gefängnis bedroht seien, beklagte der EAK-Bundesvorsitzende. Hier gelte es, wachsam zu sein und immer wieder darauf hinzuweisen, dass hier ein Menschenrecht missachtet werde.
Konkrete Angaben zu Kriegsdienstverweigerern fehlen
Doch auch in Deutschland gebe es nach wie vor Menschen, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe verweigern, betonte Jasmin Schwarz, Referentin für Kriegsdienstverweigerung in der EAK, bei der Pressekonferenz in Bonn. „Wir erhalten immer wieder Anrufe von Soldatinnen und Soldaten, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe ablehnen und daher während ihrer Dienstzeit einen KDV-Antrag stellen“, erläuterte sie. Das zeige, wie wichtig die Arbeit der EAK auch heute noch sei.
Sie kritisierte, dass es keine konkreten Angaben über die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland gebe. „Die Angaben für das vergangene Jahr schwanken zwischen 178 und 284 KDV-Anträgen. Gleiches gilt auch für die Jahre davor. Das kann eigentlich nicht sein“, meinte Jasmin Schwarz. Ebenso würden keine Informationen darüber vorliegen, welche KDV-Verfahren auf welchem Weg, ob schriftlich oder vor Gerichten, entschieden würden. „Interessant wäre es zudem, zu wissen, wie viele abgelehnte KDVler im Nachhinein noch ein Dienstunfähigkeitsverfahren einleiten müssen, weil sie sich nach der Ablehnung erst recht nicht mehr in der Lage sehen, bei der Bundeswehr zu arbeiten. Hier gibt es noch grossen Nachholbedarf“, hob die EAK-Referentin hervor.
Viele Beratungsstellen geschlossen
Mittlerweile gehöre die EAK zu den wenigen Organisationen, die noch bundesweit eine KDV-Beratung anbieten, nachdem nach der Aussetzung der Wehrpflicht viele Beratungsstellen geschlossen worden seien, so Jasmin Schwarz. „Allerdings kann der Deutsche Bundestag diese Aussetzung der Wehrpflicht wieder rückgängig machen“, gab sie zu bedenken. Darum müsse die EAK gemeinsam mit ihren Mitgliedern auch zukünftig darauf vorbereitet sein, Menschen in ihrer Gewissensbildung und Gewissensnot zu begleiten. Und Christoph Münchow ist überzeugt: „Auch nach 60 Jahren ist unsere Arbeit nach wie vor wichtig und sie ist dringend erforderlich.“
EAK als Teil der Friedensarbeit der EKD
Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) ist innerhalb der „Konferenz für Friedensarbeit im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“ der Dachverband für diejenigen, die in den evangelischen Landeskirchen und Freikirchen für Fragen der Kriegsdienstverweigerung (KDV) und Friedensarbeit zuständig sind. Bundesvorsitzender der EAK ist Oberlandeskirchenrat i.R. Dr. Christoph Münchow. Die EAK ist Teil der Friedensarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und beschäftigt sich mit Fragen der Friedensethik, Friedenstheologie, Friedenspolitik und Friedenspädagogik. Weiter Informationen zur EAK unter www.eak-online.de