Nach einjähriger Vakanz hat die Theologische Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg/Deutschland wieder einen Rektor. Professor Dr. phil. Roland E. Fischer (55) wurde am 25. Juni vom Präsidenten der adventistischen Kirchenleitung in West- und Südeuropa (Intereuropäische Division), Pastor Mario Brito (Bern/Schweiz), in sein neues Amt eingeführt.
Klein aber fein
In der Festansprache betonte Heinz Schlumpberger (Tübingen), Mitglied des Kuratoriums der Hochschule, dass im Vergleich zu anderen Universitäten in Sachsen-Anhalt die Friedensauer Hochschule erst seit 26 Jahren staatlich anerkannt sei. Dennoch habe sie in dieser relativ kurzen Zeit mit ihren 16 wissenschaftlichen Instituten sowie insgesamt neun Bachelor- und Masterstudiengängen eine beachtliche Entwicklung aufzuweisen. Dazu komme das Angebot „Deutsch als Fremdsprache“, was zur Vorbereitung auf die Hochschulausbildung von Studierenden aus über 30 Ländern ebenfalls gut aufgenommen werde. „Klein aber fein“ bereichere Friedensau mit derzeit etwa 200 Studierenden die Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt und auch die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten.
Bildung ist von unschätzbarer Bedeutung
Die Einrichtung, der Erhalt und die Förderung von Bildungsstätten, insbesondere von Hochschulen, erfordere von den jeweiligen Trägern ein hohes finanzielles Engagement, das sich nicht in einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung darstellen lasse. Was man Menschen an Bildung gebe, könne nie durch einen materiellen Wert ausgedrückt werden, denn Bildung sei für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt von unschätzbarer Bedeutung, so Schlumpberger. Auch für die kleine Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland mit derzeit etwa 35.000 erwachsen getauften Mitgliedern, sei es eine Mammutaufgabe, neben allgemein bildenden Schulen in der Bundesrepublik auch die Hochschule in Friedensau zu unterhalten. Aber sie tue es aus der Überzeugung, „weil sie um deren Bedeutung für die Freikirche aber auch für unsere Gesellschaft weiss“.
Wurzeln und Flügel
Heinz Schlumpberger erinnerte an die Aussage von Johann Wolfgang von Goethe: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Das gelte auch für eine theologische Hochschule, die Wurzeln in ihrer Kirche mit deren christlichem Menschenbild, ihren biblisch begründeten Glaubensüberzeugungen und dem von ihr erkannten Auftrag in dieser Welt und für alle Menschen in ihr habe. Andererseits gehöre zu einer Hochschule auch die Freiheit in Lehre und Forschung. Doch gerade hier könne es zu Spannungen kommen. Forschung bedeute auch Standpunkte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, so wie es schon die Urchristenheit tat.
Doch gerade Kirchen jeder Denomination falle es schwer, Überzeugungen neu zu formulieren oder sogar Korrekturen zuzulassen Die Kirchenleitungen wollten bei ihren Mitgliedern keine Verunsicherung aufkommen lassen. Deshalb gebe es immer Personen, die insbesondere denen, die lehren und forschen, „gerne die Flügel stutzen würden, um damit sicher zu stellen, dass sie sich nur in einem begrenzten Raum, der wenige Risiken birgt, frei bewegen können“. Doch Fragen und Bedenken ernst zu nehmen, in einen konstruktiven Dialog zu treten, gehöre zum Berufsethos von Dozentinnen und Dozenten einer Hochschule, hob Schlumpberger hervor.
Hierbei sei ganz besonders der Rektor als Leiter und Repräsentant der Bildungseinrichtung gefragt. Er müsse dafür sorgen, dass die Balance zwischen Wurzeln und Flügeln ausgewogen sei. Er müsse auch im Blick haben, dass die Verwurzelung mit der Kirche bestehen bleibe und die Flügel der Freiheit in Lehre und Forschung dennoch wachsen und sich angemessen entwickeln könnten. Gegebenenfalls müsse er den Dialog moderieren, wenn wegen der Ausrichtung der Hochschule Problemfelder erkennbar würden. Der Rektor sollte dafür kämpfen, dass bei durchaus nachvollziehbaren einschränkenden Rahmenbedingungen die Sicherung der Qualität und deren Weiterentwicklung dennoch gewährleistet seien. Heinz Schlumpberger zeigte sich davon überzeugt, dass Professor Roland Fischer diesen Anforderungen gerecht werde.
Er wünschte dem neuen Rektor eine hohes Mass an Sensibilität in der Zuwendung zu Menschen, die Fähigkeit zuhören zu können, Entscheidungen wohl bedacht zu treffen, Visionen zu entwickeln, ohne den Blick auf das Realisierbare zu verlieren, und stets ausgleichend zu wirken, „ohne dafür den Preis für faule Kompromisse zu bezahlen“.
Ein Rektor ist nicht allein
Der Präsident der Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in West- und Südeuropa, der portugiesische Pastor Mario Brito, nahm die Amtseinführung von Professor Fischer durch Überreichung der Amtskette vor und sprach das Segensgebet. Er betonte, dass ein Rektor zwar die Verantwortung für das Gleichgewicht der Verwurzelung der Hochschule in der Freikirche und für eine akademische Weiterentwicklung trage, dass er dabei aber nicht allein sei. Er habe ein hoch engagiertes Team an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und könne als Christ auch auf die Hilfe Gottes vertrauen.
Beruflicher und akademischer Werdegang
Roland Fischer studierte nach dem Abitur von 1979 bis 1983 am Theologischen Seminar Marienhöhe der Siebenten-Tags-Adventisten in Darmstadt. Es folgten sieben Jahre als Jugendpastor in Augsburg und in Neunkirchen, wo er 1988 als Pastor ordiniert wurde. Von 1990 bis 1992 studierte er an der adventistischen Andrews University in Berrien Springs, Michigan/USA, und schloss mit dem Master of Divinity ab. Anschliessend war er 13 Jahre als Hauptpastor in Kassel tätig. Während dieser Zeit erwarb er 2001 nebenberuflich den Abschluss als Diplom-Theologe an der Friedensauer Hochschule. Von 2002 bis 2004 erfolgte eine Weiterbildung als Mentor für Pastoren. Von 2005 bis 2012 wurde ihm von der Freikirche in Deutschland die Leitung des Instituts für Weiterbildung übertragen. Wieder berufsbegleitend absolvierte Fischer von 2003 bis 2007 ein Promotionsstudium an der Universität Bayreuth. Im Studiengang „Religiöse Sozialisation und Erwachsenenbildung“ promovierte er mit dem Thema „Bildung im Gottesdienst. Die Bibelschule der Adventgemeinde“ mit magna cum laude zum Doktor der Philosophie. Seit 2009 war er auch als Lehrbeauftragter für Praktische Theologie in Friedensau tätig. Ab 2011 lehrte er als Dozent für diesen Bereich Homiletik, Katechetik, Liturgik und Pastoraltheologie. Im Mai 2016 erfolgte die Berufung zum Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Friedensau.
Heinz Schlumpberger schloss in diesen beruflichen Werdegang auch Heike Fischer mit ein, Mutter dreier Kinder, mit welcher der neue Rektor seit 35 Jahren verheiratet ist. Sie habe ihrem Mann bei der Ausübung seines Berufes einschliesslich der zeitaufwändigen Weiterbildung und wissenschaftlichen Qualifizierung „unterstützt und ihm den Rücken frei gehalten“.
Viel Erfahrung mit ausländischen Studierenden
Professor Dr. Armin Willingmann (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung von Sachsen-Anhalt, wies in seinem Grusswort darauf hin, dass Professor Roland Fischer nach den Professoren Baldur Pfeiffer, Udo Worschech, Johann Gerhardt und Friedbert Ninow der fünfte Rektor der Theologischen Hochschule Friedensau sei und damit der Hochschulrektorenkonferenz von Sachsen-Anhalt angehöre. Obwohl die Bildungsstätte erst vor 26 Jahren als Hochschule staatlich anerkannt wurde, gebe es im Land keine andere Hochschule, die mit ausländischen Studierenden so viel Erfahrung habe, wie Friedensau. Hier werde Interkulturalität gelebt. Auch sei die Hochschule international gut aufgestellt. Das zeige die Berufung des letzten Rektors Professor Ninow im vergangenen Jahr an die adventistische La Sierra Universität in Riverside, Kalifornien/USA, zum Dekan für den Fachbereich Theologie.
Lob für den Prorektor
Der Kanzler der Friedensauer Hochschule, Tobias Koch, würdigte die Arbeit von Prorektor Dr. phil. habil. Thomas Spiegler. Nach dem Weggang von Professor Ninow sei an der Hochschule eine einjährige Vakanz entstanden. Von Amts wegen übernehme in solch einem Fall der Prorektor zusätzlich zu seinen Verpflichtungen die Führungsverantwortung. Spiegler habe in dieser Zeit nicht nur den Studienbetrieb in geordneter und bewährter Weise fortgeführt, sondern auch „weiter nach vorn bewegt“. Die Hochschule sei in vollem Umfang handlungsfähig geblieben, sodass der Eindruck hätte entstehen können, es sei eigentlich kein neuer Rektor erforderlich.
Lust auf lernen und forschen
Pastor Friedbert Hartmann (Hannover), Mitglied im Vorstand der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, wies in seinem Grusswort darauf hin, dass die Hochschule auch für die Ausbildung der Geistlichen der Freikirche in der Bundesrepublik eine hohe Verantwortung trage. Neben „Lust auf lernen und forschen“, sollten persönlicher Glaube sowie Forschung und Lehre einander ergänzen. Es gelte künftig noch mehr Frauen für das Theologiestudium zu gewinnen, damit auch sie in der Freikirche als Pastorinnen wirken könnten.
Gäste
Neben Staatssekretär Professor Willingmann nahmen an der Amtseinführung des Rektors unter anderem als Gäste teil: Der Rektor der Martin-Luther-Universität Halle, Professor Dr. Udo Sträter, der Rektor der Hochschule Anhalt, Professor Dr. Dieter Orzessek, der frühere Rektor und jetziger Dozent für Praktische Theologie der Theologischen Hochschule Elstal, Professor Dr. Volker Spangenberg, der Kanzler der Hochschule Harz, Michael Schilling, Dr. Jean-Claude Verecchia von dem mit Friedensau verbundenen adventistischen Newbold College in Binfield, Berkshire/England, und der Bürgermeister der Stadt Möckern, Frank von Holly. Friedensau war früher eine eigenständige politische Gemeinde und gehört seit 2002 als Ortsteil zu Möckern, einer Kleinstadt, die bereits im Jahr 948 erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Studiengänge und Institute
Das 1899 in Friedensau gegründete theologische Seminar wurde 1990 als Hochschule staatlich anerkannt. An ihr sind gegenwärtig etwa 200 Studierende aus über 30 Ländern in den Fachbereichen Theologie und Christliches Sozialwesen immatrikuliert. Dekan des Fachbereichs Theologie ist Dr. Stefan Höschele. Professor Horst F. Rolly leitet das Dekanat Christliches Sozialwesen. An der Hochschule können die Studiengänge Bachelor Soziale Arbeit und Bachelor/Master Theologie, Master Sozial- und Gesundheitsmanagement, Master Counseling, Master of Theological Studies, Master Musiktherapie sowie Master International Social Sciences belegt und ein duales Bachelor-Studium Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie ein Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ absolviert werden.
Friedensau verfügt im Fachbereich Theologie über die wissenschaftlichen Institute Altes Testament und biblische Archäologie, Adventistische Geschichte und Theologie, Historisches Archiv der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa, Institut für seelische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter, Kirchenmusik, Missionswissenschaft, Religionsfreiheit, Sprachen sowie Weiterbildung. Im Fachbereich Christliches Sozialwesen sind es die Institute Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit und in der humanitären Hilfe, Institut für den Schutz von ethnischen, linguistischen und religiösen Minderheiten, Entwicklungszusammenarbeit, Familien und Sozialforschung, Sucht- und Abhängigkeitsfragen, Kulturrelevante Kommunikation und Wertebildung sowie Musiktherapie.
Weitere adventistische Bildungsstätten
Neben der Friedensauer Hochschule unterhält die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland an Bildungsstätten das Schulzentrum „Marienhöhe“ in Darmstadt mit Gymnasium, Kolleg, Real- und Grundschule sowie Internate, die Freie Adventschule Oberhavel (Grundschule) sowie die Immanuel-Gesamtschule in Oranienburg-Friedrichsthal, die Andrews-Advent-Grundschule in Solingen, die Daniel-Schule (Grundschule) in Murrhardt, die Elisa-Schule (Grund- und Realschule) in Herbolzheim-Tutschfelden, die Josia-Schule (Grund- und Hauptschule mit Realschulzweig) in Isny im Allgäu, die Advent-Schule (Grundschule) in Heilbronn und die Salomo-Schule (Grundschule) in Rastatt. Außerdem vier Kindergärten (Berlin, München, Fürth, Penzberg) sowie die Heilpädagogische Tagesstätte für Vorschulkinder in Neuburg/Donau.
Weltweit unterhält die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten mit insgesamt 7.579 Schulen – von der Grundschule bis zur Universität – das grösste protestantische Bildungswerk.