Erwachsenen- bzw. Mündigentaufe im Genfersee. © Foto: SEA-RES

Freikirchen legen Rekurs gegen Verbot von Taufen im Genfersee ein

Zürich/Schweiz | 11.07.2022 | APD | Schweiz

Zwei evangelische Freikirchen legen beim Genfer Gericht Berufung ein, nachdem ihre Anträge auf eine Genehmigung für Taufen an öffentlichen Stränden abgelehnt worden sind. Eine Entscheidung wird in einigen Wochen erwartet. Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA-RES) und ihre Genfer Sektion, das Réseau évangélique de Genève (REG), drücken ihre Solidarität mit den beiden Kirchen aus und fordern Religions- sowie Versammlungsfreiheit für alle. Sie seien erschüttert darüber, dass Genf – die Hauptstadt der Menschenrechte – einen derart restriktiven und ausschliessenden Ansatz in Bezug auf die Religionsfreiheit verfolge, schreiben sie in einer Medienmitteilung.

Nach einer in evangelisch-freikirchlichen Kreisen gut etablierten Tradition, die sich an den öffentlichen Taufen des Neuen Testaments orientiert, organisieren Kirchen jedes Jahr am Genfersee Zeremonien zur Taufe von Erwachsenen durch Untertauchen. In der Vergangenheit profitierten «diese friedlichen Zeremonien», die oft am Sonntagmorgen stattfinden, wenn wenig los ist, von einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der Behörden. Dies sei seit diesem Sommer nicht mehr der Fall, schreibt die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA). Zwei Mitgliedkirchen der Evangelischen Allianz wurde kürzlich die Erlaubnis verweigert, ihre Taufen an öffentlichen Stränden zu feiern.

Eine intolerante Praxis im Widerspruch zur Religionsfreiheit
Gemäss dem Gesetz über die Laizität des Staates (Loi sur la Laïcité de l'Etat, LLE) dürfen religiöse Veranstaltungen auf öffentlichem Grund nur in Ausnahmefällen genehmigt werden. Nach dessen Inkrafttreten hatte der Kanton jedoch versprochen, dass er einen «toleranten Ansatz» verfolgen und die traditionellen Taufen am See weiterhin erlauben würde. Zudem war nach einer Beschwerde im Jahr 2019 auch das Justizgericht des Kantons Genf der Ansicht, dass die Genehmigung von kultischen Veranstaltungen «nur ausnahmsweise» eine «unverhältnismässige und mit der föderalen Rechtsprechung kaum zu vereinbarende» Einschränkung darstelle. Ende 2021 strich das Bundesgericht den Begriff «ausnahmsweise» aus dem Laizitätsgesetz und erinnerte daran, dass die Glaubensfreiheit das Recht garantiert, die eigene Religion kollektiv in der Öffentlichkeit zu bekunden.

Ausführungsverordnung zum Laizitätsgesetz in Frage gestellt
In seinen abschlägigen Antworten an die beiden Freikirchen beruft sich der Staat auf die Umsetzung der Ausführungsverordnung des Laizitätsgesetzes (Règlement d'application de la LLE). Diese war ursprünglich vorgesehen, um festzulegen, welche Gemeinschaften weiterhin von freiwilligen Beiträgen der Genfer Steuerzahler profitieren könnten. Nun werde diese Verordnung mit ihrem Verfahren der Registrierung beim Staat auch zu einer Voraussetzung für den Zugang zu anderen Rechten, wie etwa den Zugang zu öffentlichem Grund für kultische Veranstaltungen. Eine solche Praxis stehe jedoch im Widerspruch zu den internationalen Standards für Religionsfreiheit, schreibt SEA-RES: Die Ausübung der Religionsfreiheit, einschliesslich der Freiheit, den Glauben gemeinsam und in der Öffentlichkeit zu bekunden, sei ein Grundrecht. Ihre Ausübung dürfe nicht von einem staatlichen Registrierungsverfahren abhängig gemacht werden.

Regionale und nationale Evangelische Allianzen leisten Unterstützung
Die Genfer (REG) und die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA-RES) drücken ihre Unterstützung und Solidarität mit den Freikirchen in Genf aus, die von der neuen Auslegung des LLE betroffen sind. «Wir bedauern, dass Genf seine Tradition der Toleranz mit Füssen tritt und seinem Ruf als Hauptstadt der Menschenrechte schadet», bekräftigt Stéphane Klopfenstein, stellvertretender Direktor des RES. In Bezug auf die von den beiden Kirchen beim Genfer Gericht eingereichte Klage erklärt der Präsident des REG, Thierry Bourgeois: «Wir verlassen uns auf die Justiz und sind zuversichtlich, dass sie den Staat Genf an seine Verpflichtungen erinnern wird.»

UN-Menschenrechtsrat wird über die laufenden Schritte in Kenntnis gesetzt
Die Frage der Religionsfreiheit und des Zugangs zum öffentlichen Bereich im Kanton Genf war auch Gegenstand eines Abschnitts im Bericht, der am 8. Juli an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Hinblick auf die Universelle Periodische Überprüfung (UPR) der Schweiz im Jahr 2023 eingereicht wurde. Dieser gemeinsame Bericht von der SEA-RES und dem Dachverband Freikirchen.ch wird auch von der Europäischen und der Weltweiten Evangelischen Allianz unterstützt. Er befasst sich zudem mit dem Solidaritätsdelikt und der Steuerbefreiung freiwilliger Spenden an religiöse Vereinigungen.

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