Symbolbild - Ungerechtigkeit. © Foto: OpenClipart-Vectors auf Pixabay

US-Regierung bemängelt Steuerungleichheit von Religionsgemeinschaften in der Schweiz

Zürich/Schweiz | 12.07.2022 | APD | Schweiz

Zürich/Schweiz | 12.07.2022 |APD | Die US-Regierung bemängelt in ihrem jährlichen Report «International Religious Freedom: Switzerland» die Steuerungleichheit von Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Explizit erwähnt werden darin die evangelischen Freikirchen, die in der Schweiz im Vergleich mit den Landeskirchen ungleich behandelt werden. Bezüglich Steuerbefreiung sei in diesem Zusammenhang im Kanton Bern ein Rekurs des Dachverbands Freikirchen.ch hängig, wie dieser schreibt. Die Ungleichbehandlung stelle eine Diskriminierung aufgrund der Religion dar, wie ein am 8. Juli eingereichter Bericht zur Religionsfreiheit beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bestätigt.

«Es bestehen Herausforderungen bezüglich der Menschenrechte für evangelisch-freikirchliche Christen», fasst Michael Mutzner als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Christian Public Affairs (CPA) den Bericht zusammen. Dieser gemeinsame Bericht (Universal Periodic Review, UPR) der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA-RES) und dem Dachverband Freikirchen.ch wird auch von der Europäischen Evangelischen Allianz und der Weltweiten Evangelischen Allianz unterstützt. Er befasst sich auch mit dem Solidaritätsdelikt und der Steuerbefreiung für freiwillige Spenden an religiöse Vereinigungen. Laut Freikirchen.ch habe der Sonderberichterstatter der Uno für Religionsfreiheit eine solche Möglichkeit als bewährte Praxis hervorgehoben, weil «diese Privilegien die Fähigkeit der Vereinigungen fördern, Ressourcen zu suchen, zu sichern und zu nutzen und ihre Arbeit effektiver zu gestalten».

Der Sonderberichterstatter habe laut Freikirchen.ch in einem anderen Bericht auch empfohlen, «die finanzielle Nachhaltigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen durch verschiedene und flexible Formen der finanziellen und nicht-finanziellen Unterstützung zu stärken» und «Anreize für die Unterstützung der Arbeit des gemeinnützigen Sektors zu schaffen».

Rekurs im Kanton Bern hängig
Die Programme der Kirchen wurden in einer grossen unabhängigen Studie des Schweizerischen Nationalfonds als wichtige karitative Dienste für die Bevölkerung anerkannt. In der Schweiz erhalten die sogenannten Landeskirchen in den meisten Kantonen öffentliche Mittel. Sie sind auch automatisch steuerbefreit und Spenden können in den meisten Kantonen vom Einkommen abgezogen werden. Dies ist laut dem Dachverband bei den anderen Religionsgemeinschaften nicht so. Diese müssten gegenüber der kantonalen Regierung nachweisen, dass sie unter die Kategorie der gemeinnützigen Vereine fallen. Es gäbe jedoch eine zunehmende Tendenz zu einem strengeren Verständnis der von religiösen Vereinigungen ausgeübten gemeinnützigen Tätigkeiten: Wenn eine Dienstleistung eine geringfügige, religiöse Dimension aufweise, werde sie automatisch als nicht gemeinnützig eingestuft.

Zunehmende Probleme, Spenden an Freikirchen von den Steuern abzuziehen
Ein Beispiel für eine solche negative Entwicklung sei gemäss Freikirchen.ch seit 2019 im Kanton Bern zu beobachten. Dort führe eine neue und restriktive Auslegung von Art. 38A und 90c des Steuergesetzes dazu, dass es immer schwieriger werde, Spenden an evangelische Freikirchen von den Steuern abzuziehen. Diese Praxis des Kantons Bern wird derzeit vor der Rekurskommission angefochten. «Eine solche Einschränkung ist diskriminierend, da sie nur für bestimmte Religionsgemeinschaften gilt, nicht aber für die sogenannten Landeskirchen», schreibt der Dachverband. Der Kanton Bern stelle sich auf den Standpunkt, dass nur «glaubensneutrale Dienste als ausschliesslich gemeinnützig» bezeichnet werden könnten.

Erweiterung des Landeskirchengesetzes auch für Freikirchen gefordert
Dazu hält Peter Schneeberger als Präsident des Dachverbands Freikirchen.ch fest: «Die Steuerverwaltung des Kantons Bern hat in der Haltung der Gemeinnützigkeit von Freikirchen eine Praxisänderung vollzogen, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben oder einzuführen. Den Freikirchen wird unterstellt, dass ihre Tätigkeit nur Kultuszwecke beinhaltet. In der ‘Studie zum gesellschaftlichen Engagement der Schweizer Freikirchen 2020’ wurde umfassend die gemeinnützige Tätigkeit von Freikirchen während der Pandemie aufgezeigt. Wir fordern darum von der Steuerverwaltung eine Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften und eine Erweiterung des Landeskirchengesetzes auch für Freikirchen.»

Ungleichbehandlungen reduzieren
Der Grosse Rat des Kantons Bern hat zwar im Rahmen der Beratung des Landeskirchengesetzes beschlossen, auf die Ausarbeitung eines allgemeinen Anerkennungsgesetzes bis auf weiteres zu verzichten. Er will aber, dass andere Massnahmen zur Forderung von Religionsgemeinschaften geprüft werden, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen. Es geht darum, Ungleichbehandlungen der privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften leichter zu erkennen und wo möglich zu reduzieren. «In einem nächsten Schritt geht es nun darum, mehr über die Religionsgemeinschaften zu erfahren, Bereiche zu identifizieren, in denen Ungleichbehandlungen bestehen, und diese dann anzupacken», erklärt David Leutwyler, der Beauftragte für kirchliche und religiöse Angelegenheiten (BKRA) des Kantons Bern.

US-Report zur Religionsfreiheit in der Schweiz: Ungerecht verteilte Steuerbefreiung
Die US-Regierung hat in diesem Zusammenhang kürzlich einen Report zur Religionsfreiheit in der Schweiz veröffentlicht und hält darin fest: «Die Verfassung garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Sowohl die Verfassung als auch das Strafgesetzbuch verbieten die Diskriminierung einer Religion oder ihrer Mitglieder.» Thematisch beleuchte der Bericht dies anhand der «finanziellen und sozialen Diskriminierung» von Religionsgemeinschaften in der Schweiz: «Diese ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Die meisten Kantone gewähren Religionsgemeinschaften automatisch die Steuerbefreiung, wenn sie vom Kanton finanziell unterstützt werden. Alle anderen Religionsgemeinschaften müssen in der Regel nachweisen, dass sie als gemeinnützige Vereine organisiert sind, und einen Antrag auf Steuerbefreiung bei der kantonalen Regierung einreichen müssen.»

Weiter heisst es im Bericht, dass alle Kantone mit Ausnahme von Genf, Neuenburg, Tessin und Waadt mindestens eine der vier Religionsgemeinschaften - römisch-katholisch, christlich-katholisch, protestantisch oder jüdisch - finanziell unterstützen, weil sie von den Kantonen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt wurden. Diese öffentliche Unterstützung erfolgt durch Mittel, die durch eine obligatorische Kirchensteuer von registrierten Kirchenmitgliedern und in einigen Kantonen auch von Unternehmen erhoben werden.

Der Bericht spricht die Ungerechtigkeit an: «Nur Religionsgemeinschaften, die als Staatskirchen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, haben Anspruch auf Mittel aus der Kirchensteuer, und kein Kanton hat andere Religionsgemeinschaften als diese vier anerkannt.» Die Zahlung der Kirchensteuer ist in den Kantonen Tessin, Neuenburg und Genf freiwillig, während in allen anderen Kantonen Personen, die die Kirchensteuer nicht zahlen wollen, aufgefordert werden können, aus der religiösen Einrichtung auszutreten: «Der Kanton Waadt ist der einzige Kanton, der keine Kirchensteuer erhebt, obwohl die protestantische und die römisch-katholische Kirche nach wie vor direkt über das Budget des Kantons subventioniert werden. Alle anderen Religionsgemeinschaften finanzieren sich ausschliesslich durch Spenden ihrer Mitglieder oder aus dem Ausland.»

(6930 Zeichen)
© Nachrichtenagentur APD Basel (Schweiz) und Ostfildern (Deutschland). Kostenlose Textnutzung nur unter der Bedingung der eindeutigen Quellenangabe "APD". Das © Copyright an den Agenturtexten verbleibt auch nach ihrer Veröffentlichung bei der Nachrichtenagentur APD. APD® ist die rechtlich geschützte Abkürzung des Adventistischen Pressedienstes.