In einem Urteil des Bundesgerichts vom 23. März weist das Gericht die Beschwerde der evangelischen Freikirche von Cologny gegen ein Verbot von Taufen im Genfersee ab. «Religiöse Veranstaltungen auf öffentlichem Grund nur mit vorgängiger Registrierung der religiösen Organisation» heisst es im Titel der Medienmitteilung des Bundesgerichts. Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA-RES) titelt in ihrer Medienmitteilung dazu: «Administratives Verfahren hat Vorrang vor Religionsfreiheit». Gemäss dem Bundesgericht ist das Genfer System «keine Diskriminierung aufgrund der religiösen Überzeugung und stellt einen leichten und zulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit dar».
Das Bundesgericht hat die im Juli 2022 von der evangelischen Freikirche von Cologny eingereichte Beschwerde gegen ein Verbot von Taufen im Genfersee abgewiesen. Es bestätigte die Forderung des Kantons Genf, Taufen nur jenen Kirchen zu genehmigen, mit denen er in Beziehung steht. «Für die betroffene Kirche und die Schweizerische Evangelische Allianz SEA-RES, der die Freikirche von Cologny in der Westschweiz angehört, ist dies eine grosse Enttäuschung, die mit Unverständnis verbunden ist. Dieser Entscheid zeugt von der zunehmenden Einschränkung der Religionsfreiheit im Kanton Genf», schreibt die SEA-RES.
Erwachsenentaufen im Genfersee werden seit Langem durchgeführt
Die evangelische Freikirche von Cologny praktiziert seit Langem Erwachsenentaufen durch Untertauchen, im Rahmen einfacher und friedlicher Zeremonien im Genfersee, die nie Anlass zu Beschwerden gegeben haben. Nach der Verabschiedung der Ausführungsverordnung zum Genfer Gesetz über die Laizität des Staates verweigerte das zuständige Departement der Kirche das Recht, diese Praxis fortzusetzen. Begründet wurde dies damit, dass die Kirche keine offiziellen Beziehungen zum Staat unterhält. Die Schweizerische Evangelische Allianz weist darauf hin, dass das zuständige Departement alle kultischen Veranstaltungen auf öffentlichem Grund verbieten wolle, auch jene von anerkannten Kirchen.
Beunruhigt über diese Einschränkung der Religionsfreiheit reichte die Kirche beim Bundesgericht eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein. Am 23. Februar 2024 wies das Bundesgericht diese Klage mit der Begründung ab, dass das Genfer Konzept der Laizität diesen Eingriff in die Religionsfreiheit rechtfertige. Das Bundesgericht war der Ansicht, dass die Gewährleistung des religiösen Friedens und die Grundrechte anderer es dem Staat erlauben, die Religionsgemeinschaften auszuwählen, die auf öffentlichem Grund Gottesdienst feiern dürfen, und andere davon auszuschliessen.
SEA-RES: Ausübung der Grundrechte von politischer Entscheidung abhängig
Das Bundesgericht erkennt das Recht auf eine Tauffeier auf öffentlichem Grund an, bejaht aber, die Genehmigung an die vom Kanton geforderten Bedingungen zu knüpfen. Das heisst, dass die Genehmigung davon abhängt, ob die Kirche eine Beziehung zum Staat unterhält. Eine solche Beziehung beinhaltet eine Verpflichtung, die unter anderem das Schweizer Recht über alle religiösen Verpflichtungen stellt, die ihm zuwiderlaufen würden. Und die Beziehung wiederum hängt von einer Ermessensentscheidung der Exekutive ab, gegen die keine Rechtsmittel eingelegt werden können. Dadurch wird die Ausübung der Grundrechte von einer politischen Entscheidung abhängig gemacht.
Unverständliche Ungleichbehandlung
Die Schweizerische Evangelische Allianz bemängelt auch, dass religiöse Organisationen von vornherein als verdächtig behandelt werden: Es werde von ihnen in Bezug auf religiöse Veranstaltungen eine Verpflichtung gegenüber dem Staat verlangt, die von anderen Nutzern des öffentlichen Bereichs nicht verlangt werde. Die betroffene Kirche und die Schweizerische Evangelische Allianz seien ausserdem der Ansicht, dass der Staat den religiösen Organisationen, die sich für eine Beziehung mit ihm entscheiden, Vorteile anbieten könne, aber keinesfalls die Rechte derjenigen beschneiden dürfe, die dies nicht tun würden. In diesem Fall sollte laut SEA-RES die vollständige Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat die Norm sein.
Das Schweizer Recht als vorrangig vor jeglicher religiösen Verpflichtung anzuerkennen, lasse die Möglichkeit eines Konflikts zwischen tiefen Überzeugungen und den Anforderungen des Rechts ausser Acht. Gemäss SEA-RES sind solche Fälle bereits eingetreten und könnten wieder eintreten. Als Stichworte erwähnt die Schweizerische Evangelische Allianz Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen oder Fälle von Solidaritätsdelikten.
Konsequenzen noch offen
Die evangelische Freikirche von Cologny und die Schweizerische Evangelische Allianz SEA-RES nehmen laut der Medienmitteilung den Entscheid des Bundesgerichts zur Kenntnis, der die zunehmende Einschränkung der Religionsfreiheit im Kanton und eine «engstirnige Sicht der Genfer Laizität bestätigt». Sie sind der Überzeugung, dass die Beteiligung der Religionsgemeinschaften als Bereicherung des sozialen Gefüges in Genf zu betrachten sei. Deshalb würden sie für ein offenes und tolerantes Verständnis von Laizität sowie für die Achtung der Grundrechte und -freiheiten eintreten. Die Kirche von Cologny prüfe, welche Konsequenzen sie aus dieser Entscheidung ziehen werde.