Über alle Konfessionsgrenzen hinweg betrachten 66 Prozent der Deutschen die Zehn Gebote für ihr tägliches Leben als verbindlich. Und selbst unter denen, die sich zu keiner Religion bekennen, sind es noch 45 Prozent. Doch nur die wenigsten können mehr als ein paar wenige aufsagen. Immerhin jeder zweite, 48 Prozent, kennt das fünfte Gebot: "Du sollst nicht töten". Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid bei 1'008 Personen, die im April-Heft des Magazins Reader’s Digest Deutschland veröffentlicht wird.
Wie sich herausstellte, gibt es starke Unterschiede im Bekanntheitsgrad der einzelnen Gebote unter den Befragten. Neben "Du sollst nicht töten" fiel ihnen vor allem das siebte Gebot "Du sollst nicht stehlen" (38 Prozent) ein, gefolgt vom sechsten Gebot "Du sollst nicht ehebrechen" (37 Prozent). Deutlich seltener wurden das vierte Gebot "Du sollst Vater und Mutter ehren" (26 Prozent) und das neunte Gebot "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau" (25 Prozent) genannt. Beinahe unbekannt ist das zweite Gebot. An "Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen" erinnern sich nur 4 Prozent der Bevölkerung. Und auch das dritte Gebot - "Gedenke des Sabbattages, dass Du ihn heiligest" - ist kaum mehr im Bewusstsein (5 Prozent).Die hannoversche Landesbischöfin Margot Kässmann schreibt in dem Magazin, die Zehn Gebote seien als "Lebensregeln für eine gute Welt" auch nach Jahrtausenden noch aktuell. Neben den Geboten, nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht zu lügen, die Ehe nicht zu brechen und die Eltern zu ehren, hätten auch die wenig bekannten religiösen Gebote grosse Bedeutung. Besonders aktuell sei die Feiertagsheiligung. Wenn es nur noch Werktage gebe, werde "unsere Gesellschaft irgendwann kollektiv dem Burnout-Syndrom erliegen".
Kässmann wörtlich: "Wer will nicht alles unser Gott sein! Martin Luther hat gesagt, woran wir unser Herz hängen, das sei unser Gott. Da ist zuallererst wohl das Geld, daran hängt unser Herz. Das sehen wir schon daran, dass jede Stunde gemeldet wird, wie es dem DAX (Deutscher Aktien-Index) geht. Als ob unser Schicksal daran hinge! "
Ihre Schlussfolgerung: "Eine Zeit, die nach Orientierung geradezu ruft, braucht die Zehn Gebote." Gerade wenn heute gefragt werde, wie denn Jugendliche Werte fänden, wie denn das Miteinander von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft zu gestalten sei, könnten die Zehn Gebote Massstäbe setzen, so Bischöfin Kässmann, denn: "Sie haben sich wahrhaftig bewährt durch Jahrtausende!"
Der Bibeltext selbst bietet keine Zählung der Gebote. Unter Wahrung der Zehnernorm (Dtn 4,13; Dtn 10,4; Ex 34,28) existieren in der jüdischen und christlichen Tradition unterschiedliche Zählungen. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid verwendete für die Befragung die Zählweise der katholischen und lutherischen Tradition (siehe Kästchen).
Kästchen:
Die Zählung der Gebote:
Der Bibeltext selbst bietet keine Zählung der Gebote. Unter Wahrung der Zehnernorm (Dtn 4,13; Dtn 10,4; Ex 34,28) existieren in der jüdischen und christlichen Tradition unterschiedliche Zählungen. Sie gründen in den beiden voneinander abweichenden Dekalogfassungen:
Judentum (Talmud):
zweimal fünf Gebote, wobei die "Präambel" (Ex 20,2 bzw. Dtn 5,6) als erstes Gebot gezählt wird und die beiden Begehrensverbote zusammengefasst sind
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Philo von Alexandrien (bedeutendster jüdischer Philosoph der Antike - ca. 20 v. Chr. – 50 n. Chr.) und die orthodoxe, reformierte und anglikanische Tradition:
zweimal fünf Gebote (Zäsur zwischen Elterngebot und Tötungsverbot)
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Augustinus und die katholische und lutherische Tradition:
drei und sieben Gebote (Zäsur zwischen Sabbat und Elterngebot) - die Dekalogeröffnung in Ex 20,2 bzw. Dtn 5,6 wird als Einleitung / Präambel verstanden
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