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SEA findet die Änderung des Asylgesetzes zeitgemäss, EKS kritisiert sie

Zürich/Schweiz | 08.05.2023 | APD | Schweiz

Der Bundesrat will mit neuen Regelungen auf Gesetzesstufe in den Asylzentren des Bundes den Betrieb und die Sicherheit besser gewährleisten. Unter anderem soll auch die Seelsorge in diesen Zentren gesetzlich geregelt werden. Dies begrüsst die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA-RES) in ihrer Vernehmlassung zur Änderung des Asylgesetzes, eine finanzielle Ungleichbehandlung von Religionsgemeinschaften bei der Asylseelsorge lehnt sie laut livenet.ch jedoch ab. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS kritisiert die geplanten Änderungen im Asylgesetz und schlägt einen neuen Artikel zur Seelsorge vor. Sie ist mit den geplanten, seelsorgespezifischen Änderungen im Asylgesetz zur Sicherheit und dem Betrieb in den Zentren des Bundes nicht einverstanden. Gemeinsam mit der Schweizer Bischofskonferenz SBK, der Christkatholischen Kirche der Schweiz, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ und dem Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen VSJF schlägt sie stattdessen die Aufnahme eines neuen Artikels zur Seelsorge vor.

Verschiedene Mitglieder der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA-RES seien mit ihrer Expertise und Erfahrung führend in der Asylseelsorge, schreibt die SEA in ihrer Vernehmlassungsantwort. Sie fordert daher insbesondere eine Öffnung und den Zugang zur Asylseelsorge für weitere Kirchen, christliche Organisationen und Religionsgemeinschaften.

SEA-RES begrüsst gesetzliche Grundlage für Seelsorge in Bundesasylzentren
Die SEA-RES begrüsst in der Vernehmlassung, dass eine gesetzliche Grundlage für die Seelsorge in den Bundesasylzentren, ihre Rolle und Finanzierung geschaffen werden soll. In Anbetracht der pluralen Gesellschaft und der vielfältigen religiösen Hintergründe der Asylsuchenden sei es wichtig und zeitgemäss, seelsorgerische Tätigkeiten für weitere Kreise zugänglich zu machen, wie dies in der Vorlage vorgesehen ist. Künftig sollen Vertreterinnen und Vertreter aus allen religiösen Gemeinschaften, welche die gesetzlichen Vorschriften erfüllen, Seelsorge in den Bundesasylzentren anbieten können.

Dazu zählten Seelsorgerinnen und Seelsorger sowohl aus Landeskirchen wie auch aus staatsunabhängigen evangelischen Kirchen und Organisationen aus dem Netzwerk der SEA-RES. Als Vorbild diene hier zum einen die Armeeseelsorge, die diese Öffnung für alle grossen, in der Schweiz repräsentierten Konfessionen kürzlich vollzogen hat. Zum anderen seien in den Asylzentren der Kantone schon lange auch Mitglieder der SEA-RES seelsorgerisch tätig. Deren Fachkompetenz und Praxiserfahrung solle auch in den Bundeszentren genutzt werden können.

Keine finanzielle Ungleichbehandlung von Religionsgemeinschaften
Kritisch sieht die Schweizerische Evangelische Allianz hingegen die Ungleichbehandlung punkto Finanzierung: Es sei nicht zielführend und möglicherweise sogar diskriminierend, dass religiöse Gemeinschaften, die Kirchensteuern erheben, keine Abgeltung für ihre Dienstleistungen in den Bundesasylzentren erhalten sollen. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.

Asylseelsorge soll Dienst an Asylsuchenden sein und Ausübung der Religionsfreiheit ermöglichen
Ausserdem erachtet es die SEA-RES als problematisch, dass die Asylseelsorge gemäss Gesetz explizit zur «Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Zentren des Bundes» beitragen und als «Massnahmen zur Verbesserung und Förderung des Zusammenlebens» dienen soll. Denn dies könne nicht das Endziel der Seelsorge sein. Vielmehr sei sie zunächst als ein Dienst an den Asylsuchenden selbst anzusehen, der es ihnen ermögliche, ihre Religions- und Glaubensfreiheit auszuüben.

EKS ist mit den geplanten, seelsorgespezifischen Änderungen im Asylgesetz zur Sicherheit und dem Betrieb nicht einverstanden
Die vorgeschlagenen Änderungen des Asylgesetzes (AsylG) betreffen hauptsächlich betriebliche sowie Sicherheitsaspekte in den Zentren des Bundes. Dass auch die Seelsorge unter diesen Aspekten neu geregelt werden soll, erachten die Kirchen und der VSJF als höchst problematisch. Sie wehren sich insbesondere dagegen, dass der Staat die Seelsorge in Bundesasylzentren via Gesetzesartikel als Bundesaufgabe definieren und sie Dritten übertragen will: Bei der Seelsorge handelt es sich um einen Dienst, den Kirchen und weitere Religionsgemeinschaften erbringen, und nicht um eine Verwaltungsaufgabe (Art. 178 BV). Angelegenheiten, die das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 15 BV) betreffen, können grundsätzlich nicht von einer staatlichen Behörde geregelt oder an von dieser eingesetzte Dritte übertragen werden.

Seelsorge ist keine staatliche Aufgabe
Diese klare strukturelle Trennung von den staatlichen Aufgaben ist laut der EKS-Medienmitteilung entscheidend für das Vertrauensverhältnis, auf dem Seelsorge beruht. Menschen, deren Leben aus allen verlässlichen Ordnungen gefallen sei, die innere Orientierungslosigkeit und Desintegration erlitten hätten, könnten sich Seelsorgenden nur dann anvertrauen, wenn sie diese als von der Institution unabhängige Personen wahrnehmen würden, so die EKS. "Darum darf die Funktion der Seelsorge nicht dem Zweck der «Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in den Zentren des Bundes» (Art. 25c Abs. 2 AsylG) zugeordnet werden". Seelsorge könne zwar sehr wohl dazu beitragen, Konflikte in Bundesasylzentren für Asylsuchende zu entschärfen. Das setze aber voraus, dass sie eben gerade nicht als verlängerter Arm der staatlichen Institutionen wahrgenommen werde. Die in der Revisionsvorlage vorgesehene funktionale Zuordnung kollidiert aus Sicht der Kirchen und des VSJF fundamental mit dem seelsorgerlichen Auftrag und dem Selbstverständnis der Seelsorge.

Ungeeignete Finanzierungsregelung
Die vorgeschlagene Regelung des Gesetzgebers, den Anspruch auf Entgelt seelsorglicher Leistungen durch den Bund nur jenen Religionsgemeinschaften vorzubehalten, die über keine Einnahmen aus «Kirchensteuern» verfügen, lehnen die Kirchen und der VSJF ebenfalls entschieden ab. Sie stellen sich gegen die Einführung einer kategorischen Ungleichbehandlung der Religionsgemeinschaften durch den Bund.

Neuer Artikel zur Seelsorge
Die Kirchen und der VSJF schlagen aus diesen Gründen vor, das Asylgesetz anstelle der vorgeschlagenen Änderungen mit einem neuen, seelsorgespezifischen Artikel 25cbis zu ergänzen. Die Seelsorge soll dabei aus ihrer ungeeigneten rechtssystematischen Verortung unter dem Aspekt von Sicherheit und Ordnung herausgelöst und in den sachlich richtigen Bezugsrahmen des Rechts auf Religionsfreiheit gestellt werden.

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